Die verhexte Geiß

„Hu, ist das heiß“, sagte Goraisch Mattl, ein ehrsamer Schneidermeister aus der Stadt Gottschee, zu seinem Freunde Gregl Peatr, als sie beide auf dem Wege nach Altlag dahintorkelten. Dort war heute großer Jahrmarkt und Goraisch Mattl wollte sich eine gute Geiß kaufen.

Sie hatten noch ein weites Stück zu gehen, und als ihnen in Malgern das Gasthausschild „Zur durstigen Kehle“ gar einladend entgegen winkte, sagte Gregl Peatr zu seinem Reisegefährten: „Geh, kehren wir ein bisschen ein; ein Glasel Schnaps wird uns nicht schaden!“ – „Hab mir auch schon gedacht, daß es gut wäre, den Staub herunter zu waschen“, antwortete Goraisch Mattl und fuhr sich mit dem roten Sacktuch übers Gesicht.

Also traten sie in die Schenke und ließen sich ein „Frackerl“ [1] Branntwein vorsetzen. Der Wirt, allgemein „Zevar Pale“ genannt, war als Spaßmacher, Bauchredner und Taschenspieler weit und breit bekannt. Er stellte ihnen den Schnaps auf den Tisch, setzte ihnen zwei Stamperl vor und erkundigte sich eingehend nach dem Zwecke ihrer Reise. Als er nun erfuhr, daß Goraisch Mattl eine Geiß kaufen wolle, da schmunzelte er still vor sich hin. Die beiden Freunde hatten das „Frackerl“ geleert und stapften nun in der brennenden Sonnenhitze nach Altlag, wo sie erst gegen Mittag ankamen.

Auf dem Marktplatze herrschte reges Leben. Es wurde gefeilscht und geboten, daß man schier seine eigene Stimme kaum hörte. Goraisch Mattl guckte sich fast die Augen nach einer guten Milchgeiß aus. Endlich sah er eine Geiß mit großem Euter, und als er die Eigentümerin, eine alte Witwe aus Hohenberg, über die Geiß ausfragte, lobte die Frau ihre Geiß über den grünen Klee. Der Handel wurde geschlossen und seelenvergnügt murmelte Mattl in seinen Bart hinein: „O, wie wird sich meine Alte freuen, wenn ich ihr die gute Geiß nach Hause bringe!“

Er schleifte sie an einem Stricke zum Schnupfar Ton, wo er sich mit Speise und Trank recht stärkte. Auf dem Rückwege kam er wieder durch Malgern, wo es beim Zevar Pale recht lustig herging. Die Gaststube war voll von Marktbesuchern. Der Gaigar Pal spielte gerade eine lustige Polka und Dirndlein und Burschen drehten sich im Tanze.

Da konnte Goraisch Mattl unmöglich vorüber gehen. Er band seine Geiß an einen Zwetschkenbaum, der vor dem Gasthause stand, und trat dann ins kleine Extrazimmer. Er ließ sich eine Halbe vorsetzen, sah eine Weile dem fröhlichen Treiben zu und wollte gerade seine Zeche bezahlen, als sein Freund Gregl Peatr tüchtig angesäuselt ins Zimmer wankte. Gregl Peatr bestellte gleich einen Liter, doch Goraisch Mattl beteuerte, gleich gehen zu müssen, da er seiner Frau versprochen habe, noch vor Sonnenuntergang nach Hause zu kommen.

„Aha, du Pantoffelheld, mußt wohl pünktlich zu Hause sein, sonst mußt du auf einem Holzscheit knien“, begann Gregl Peatr seinen Freund zu hänseln. – „Ich und knien“, schrie jetzt Goraisch Mattl, „da kennst du mich schlecht. Herr im Hause bin ich!“ Die Flasche war bald geleert und nun bestellte Goraisch Mattl auch einen Liter.

Gegen Abend waren die beiden Freunde schon stark zugedeckt und singend wankten sie zur Türe hinaus. Fast hätte Mattl auf seine Geiß vergessen. Richtig, da hing sie ja noch! Er band sie los und da fuhr sie ihm zwischen die Beine, daß er das Gleichgewicht verlor und zum Gaudium der Zuschauer der Länge nach hinpurzelte. Die Geiß zerrte an dem Stricke, doch Goraisch Mattl ließ nicht locker. Der Wirt hatte ihm auf die Beine geholfen und nun maßen sie die Straße nach Gottschee.

Als sie nach Hause kamen, war es schon spät in der Nacht und im Hause des Mattl war es stockfinster. Kaum, daß er im Finstern die Stalltür finden konnte. Dann schob er die Geiß in den Stall, verschloß ihn und polterte über die hölzerne Treppe in seine Wohnung. Seine Frau merkte schon an seinem Gange, daß er stark betrunken war. In ihrer Wut ließ sie ihn gar nicht zu Worte kommen und überhäufte ihn mit Schimpfwörtern, die jeder Beschreibung spotten. Er hieß alles, nur Mensch nicht. Er lallte immerzu: „Ich habe eine Geiß gebracht, die hat Milch wie Wasser“, doch in dem Zetergeschrei seiner besseren Ehehälfte verklangen seine Worte.

Endlich war Ruhe eingetreten und Mattl schnarchte wie ein Murmeltier. Am nächsten Morgen wurde er schon zeitlich in der Früh sehr unsanft aus dem Schlafe gerüttelt. Seine Frau war nämlich in den Stall getreten, um die Geiß zu melken. Doch, welch ein Schreck! Vor ihr stand statt einer Geiß ein Bock, der sie verständnislos anstarrte. „Mann, was hast du getrieben, du hast ja statt einer Geiß einen Bock gebracht!“ fuhr sie Mattl an.

Dieser hatte gerade davon geträumt, wie Zevar Pale ein Spiel Karten an die Tür warf und Herz Aß an der Tür hängen geblieben war. „Hörst du, du Dummkopf? Einen Bock hast du gestern nach Hause gebracht, du besoffene Wetten!“ schrie sie außer sich vor Wut. „Das ist nicht möglich“, sagte Mattl, der sich schlaftrunken die Augen rieb, „ich habe die Geiß ja selbst gemolken und es ist Milch, reine Milch herausgeronnen.“ „Natürlich“, zeterte seine Frau weiter, „schaust du einen Bock für eine Geiß an, wenn du betrunken bist wie eine Kanone!“ In diesem Tone ging es weiter.

Mattl stand auf, kleidete sich an und begab sich in den Stall. Richtig, was seine Frau behauptete, war nackte Wahrheit. Vor ihm stand ein Bock, der in seinem Aussehen der von ihm gekauften Geiß aufs Haar glich. Schnell machte er sich mit dem Bocke auf den Weg nach Hohenberg, wo die Frau wohnte, die ihm statt einer Geiß einen Bock verkauft hatte.

Wieder kam er durch Malgern und wieder stand der vermaledeite Wirt auf der Tür und rieb sich vergnügt die Hände. „Ei, wohin so eilige“ rief er Mattl schon von weitem entgegen. „Ach, ein sehr unangenehmes Geschäft“, erwiderte Mattl kleinlaut, „ich habe eine Geiß gekauft und bringe nun einen Bock heim.“ Dabei band er den Bock an einen Zwetschkenbaum und trat dann ins Gastzimmer. Zevar Pale aber hatte ihm tagszuvor die Geiß mit einem Bocke vertauscht und beeilte sich nun, die Geiß aus dem Stalle zu holen und sie an Stelle des Bockes an den Zwetschkenbaum zu binden.

Als Mattl bald darauf aus dem Gasthause trat, holte er sich seinen Bock und setzte seinen Weg nach Hohenberg fort. Als er vor dem Hause der alten Frau stand, von der er die Geiß gekauft hatte, meckerte der Bock laut auf, so daß die Frau eilig vors Haus trat.

„Frau“, sagte er in nicht sehr freundlichem Tone, „ihr habt mir ja einen Bock für eine Geiß verkauft, ihr könnt ja mehr als Birnen braten!“ „Was, einen Bock statt einer Geiß Ich habe ja gar keinen Bock gehabt“, entgegnete die alte Frau. „Ihr seid ein Tierquäler“, fuhr sie fort, „ihr habt ja die Geiß noch gar nicht gemolken und schleppt das arme Tier mit vollem Euter so weit her“.

Mattl war sprachlos. An seinem Stricke hing wirklich eine Geiß mit vollem Euter. Ohne weiter ein Wort zu verlieren, zerrte er die Geiß zum Dorfe hinaus, doch wählte er setzt nicht mehr den Weg durch Malgern.
Er wollte nicht mehr beim Zauberwirte einkehren, vielleicht könnte sich seine Geiß in ein anderes Tier verwandeln.

 

Von W. Tschinkel

[1] Ein „Frackerl“ = Ein achtel Liter

Quellenangaben:

W. Tschinkel
Gottscheer Kalender 1921
Hrsg.: Allgemeiner Ein- und Verkaufsvereine in Gottschee
Buchdruckerei J. Pavlicek in Gottschee
Seite 34-36