Es wurde der Wunsch ausgesprochen, dass der Gottscheer Kalender auch einen Aufsatz über die Herkunft der Gottscheer bringen möge. Es soll demnach in den folgenden Zeilen diese Frage in schlichter, volkstümlicher Form, ohne gelehrtes Rüstzeug, in Kürze behandelt werden.
Die deutsche Sprachinsel Gottschee ist bekanntlich die älteste deutsche Siedlung in Slowenien und in ganz Jugoslawien. Wann wurde Gottschee besiedelt? Woher stammen die Gottscheer? In früheren Zeiten waren über die Abstammung der Gottscheer in der gelehrten Welt mancherlei Fabeln verbreitet; man hielt sie für Gothen, Gotho – Sueven, Vandalen u. dergl. Solche Anschauungen und Meinungen konnten aber den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung gegenüber nicht standhalten.
Wir wissen jetzt, dass das Gottscheerland der Hauptsache nach im 14. Jahrhundert besiedelt worden ist. Seine Kolonisierung reicht also noch in die ferne Zeit des Mittelalters zurück. Die ersten Ansätze zur Besiedlung sind sogar noch älter. Schon im 13. Jahrhundert waren Kolonisten aus der unmittelbaren Nachbarschaft in unser Ländchen gekommen, wenn auch nur in geringer Anzahl. Auf diese Weise erklärt sich z. B. ganz ungezwungen der sprachliche Charakter mehrerer Ortsnamen im Hinterlande, dann am nördlichen Rande der Sprachinsel und in der Gegend von Tschermoschnitz. Der älteste Gottscheer Ortsname, der urkundlich erwähnt wird, ist Gaz (Gatschen) in der Gemeinde Tschermoschnitz (in einer Urkunde aus dem Jahre 1249 „apud Gaz quatuordecim mansos“). Die Gegend von Pöllandl und Tschermoschnitz muss also schon damals, wenn auch nur schwach, besiedelt gewesen sein.
Da aber die Nachbarschaft unseres Ländchens damals selbst nur dünn und schwach bevölkert war, konnte sie nicht sehr viele Kolonisten abgeben. Um das weite Waldland zwischen dem Schweinberg und der Kulpa der Kultur zuzuführen, musste demnach an die Heranziehung von Ansiedlern aus ferneren Gegenden gedacht werden.
Dies geschah auch. Die Grafen von Ortenburg, welche damals als Grundherren in Reifnitz residierten, beriefen offenbar zunächst Ansiedler aus ihrem eigenen Stammlande, aus Kärnten und Osttirol (Putstertal), in das heutige Gottschee. Diese mochten vorwiegend aus dem „Nock“ gebiete dortselbst gekommen sein, weshalb sie auch die Bergkuppen im Gottscheer Tale „Nocke“ benannten. (Windischdorfer Nock, Burger Nock, Lienfelder Nock usw.)
Im vierten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts war der Zuzug von neuen deutschen Ansiedlern (Kärntnern und Pustertalern?) bereits so stark geworden, dass für ihre Seelsorge Vorkehrungen getroffen werden mussten. Schon im Jahre 1339 wurde eine Seelsorgestation in Mooswald (wohl als Gegendname aufzufassen) errichtet als Erzpositur der Pfarre Reifnitz.
Die bisherige Kolonisation unseres Ländchens war aber noch immer spärlich und keineswegs durchgreifend. Weite Strecken Urwaldes waren noch zu roden. Woher die Leute nehmen? Die nächste Umgebung konnte nicht viel überschüssige Menschenkräfte abgeben. Auch aus Kärnten war in der Folge nicht mehr viel zu holen, denn im Jahre 1348 hatte der „schwarze Tod“ (die Pest) in ganz Europa und besonders auch in Kärnten und Tirol verheerend gewütet und etwa die Hälfte der Bevölkerung dahingerafft. Wollten also die Grafen von Ortenburg das weite Urwaldgebiet zwischen dem Schweinberg und der Kulpa nutzbar machen und der Kultur zuführen, so mussten sie Ansiedler aus entlegeneren Gegenden erwerben. Valvasor erzählt, dass sich Graf Friedrich von Ortenburg an Kaiser Karl lV. mit der Bitte um Überlassung von Kolonisten gewendet habe. Der Kaiser schenkte dem Grafen 300 fränkische und thüringische Familien (Männer, Frauen und Kinder), die wegen eines Aufstandes hätten bestraft werden sollen, und diese 300 Familien wurden nach Gottschee verpflanzt. Nun berichtet die bekannte Urkunde des Patriarchen Ludwig II. della Torre von Aquileja vom 1. Mai 1363, dass damals innerhalb der Grenzen der Pfarre Reifnitz in Gegenden, die bis dahin unbewohnbar und unbebaut waren, viele neue Ansiedlungen entstanden seien, und zwar in (den Landstrichen von) „Gotsche, Pölan, Costel, Osstvnitz und Gotniz“, weshalb für die Errichtung von Seelsorgestationen für die genannten Gebiete Vorsorge getroffen werden musste. Im Zusammenhange dieser urkundlichen Angabe mit der Notiz bei Valvasor liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der nunmehr stärkeren und volkreicheren Besiedlung hauptsächlich wohl um die 300 fränkisch – thüringischen Familien gehandelt haben dürfte, und zwar dürften die Franken vorwiegend im „Lande“ und „Unterland“ angesiedelt worden sein, wo „Frankeisch“ noch gegenwärtig vereinzelt als Hausname vorkommt, während den Thüringern wahrscheinlich das „Hinterland“ zugewiesen wurde. Wir begegnen nämlich im alten Urbar der Herrschaft Gottschee aus dem Jahre 1475 in Göttenitz mehrfach dem Familiennamen Turgg, was offenbar Durig, During, Thüring bedeutet.
Auffallen mag es, dass auch Pölland, Kostel und Ossilnitz in der Aquilejer Urkunde als Kolonisationsgebiete genannt werden, also zweifellos ursprünglich ebenfalls von deutschen Bauern besiedelt worden sein dürften. Die deutsche Bevölkerung dortselbst wurde in den Türkenkriegen (erste Hälfte des 16. Jahrhunderts) fast völlig ausgerottet und es wurden sodann diese Landstriche von Uskoken aus Bosnien besiedelt.
Die Gegend von Cabar (Tschuber) und Gerovo, welche früher ebenfalls zur Herrschaft Gottschee gehört hatte, kam im 17. Jahrhundert zu Kroatien. Von den in der Aquilejer Urkunde erwähnten fünf Landstrichen sind also in der Folge nur zwei, nämlich Gottschee („Land“ und „Unterland“) und Göttenitz („Hinterland“) deutsch geblieben. Wie steht es nun aber mit den übrigen Gegenden des Gottscheer Gebietes? Wann wurde insbesondere die Gegend von Nesseltal und Tschermoschnitz, welche in der Aquilejer Urkunde nicht genannt wird, besiedelt? Darüber gibt es keine Urkunde oder ältere Notiz, die Aufschluss böte. Diese Landstriche dürften wahrscheinlich bald nach dem Jahre 1363 urbar gemacht worden sein. Wir lesen nämlich, dass Graf Otto von Ortenburg von den Laibacher Juden Mosche und Chatschim in den Jahren 1358 und 1364 je 1000 Mark geborgt hat, wahrscheinlich um damit die Kosten der Kolonisierung des Gottscheer Gebietes zu decken. Woher kamen nun die Besiedler der Gebiete von Nesseltal und Tschermoschnitz? Darüber haben wir weder eine Urkunde noch sonst irgendeine Notiz oder Andeutung, aber einen Fingerzeig geben einzelne Familiennamen, die in diesen Gegenden vorkommen. Der Familienname Petschauer erinnert an Petschau in Böhmen (Tepler Gebiet) ebenso der Familienname Kapsch (Ortschaft Kapsch in der Tepler Gegend) und Abäse (Fluss Radbusa). Hiernach ist es wahrscheinlich, dass bald nach 1363 ein Zuzug von Ansiedlern aus dem deutschböhmischen Gebiete von Tepl anzunehmen ist. Das Haus Ortenburg besaß übrigens damals auch selbst im sog. Nordgau ansehnliche Landstriche. Vielleicht kamen auch von dorther Ansiedler nach Gottschee, soweit nicht neuerlich die Gefälligkeit Kaiser Karl lV. aufgeholfen haben mochte. Zu beachten ist dabei, dass Ostfranken und Böhmen von der Pest im Jahre 1348 weniger schwer heimgesucht worden waren als andere Landstrecken. Wir dürfen also mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das Gebiet von Nesseltal und Pöllandl – Tschermoschnitz etwa im Jahrzehnt 1360 bis 1370 mit deutschen Kolonisten besiedelt worden sein dürfte. Um 1400 war Nesseltal bereits eine Pfarre.
Die mitteldeutschen Elemente bilden also einen sehr ansehnlichen Einschlag in de Besiedlung Gottschees und vielleicht hat der bekannte Dialektforscher Prof. Dr. Nagl doch nicht so ganz unrecht, wenn er die Ansicht vertritt, dass das Mitteldeutsche die unterste Grundlage der Gottscheer Mundart bilde.
Ältere Familiennamen, wie Peschli, Kacherli, Roseli, Haberlin, Mayerli, Oppi, Tely (Tell!) und dergl. beweisen, dass wir es in Gottschee auch mit einem Kolonisationseinschlage an die schwäbischen – alemannischen Gebiete zu tun haben, worauf übrigens auch mundartliche Eigenheiten hinweisen. So ist z. B. insbesondere eine Zuwanderung aus der Gegend von Memmingen und dem Allgäu sehr wahrscheinlich. Graf Friedrich von Ortenburg, Ottos Sohn, war mit Herzogin Margareta von Teck vermählt, die aus ihrer schwäbischen Heimat so manche Zuzügler mitgebracht aber ins Ländchen berufen haben mochte. Von einer Familie Zink (später in der Form Tschinkel vorkommend) ist dies urkundlich beglaubigt. Ein Zink war um 1370 Pfarrer „an der Rieg“. Er war sicherlich nicht der einzige Allgäuer, der ins Gottscheeische gekommen ist. Wenn wir von einem schwäbisch -alemannischem Einschlage im Gottscheer Volkstum sprechen, dürfen wir übrigens nicht so weit gehen, Gottschee kurzweg eine Schwabenkolonie zu nennen, wie dies seinerzeit geschehen ist.
Die Gottscheer sind demnach ein Mischvölkchen, ihre Urahnen, die Besiedler des Gebietes, stammen aus mehreren deutschen Gegenden und auch die Gottscheer Mundart ist eine Mischmundart, die bajuwarische, mitteldeutsche und schwäbisch – alemannische Elemente aufweist. Auch die Familiennamen der Gottscheer beweisen, dass sie ein Mischvölkchen sind von mehreren deutschen Stammessplittern. Eine gemeinsame Landesmundart hat sich erst im Laufe der Zeit auf dem Boden ihrer neuen Heimat herausgebildet.
600 Jahre und darüber siedeln nunmehr die Gottscheer bereits in ihrem Ländchen, sie haben ihre deutsche Eigenart, ihre Sprache, ihre Gebräuche und Sitten getreu bewahrt bis auf den heutigen Tag. Und nun treten Schwarzseher auf und prophezeien den eigenen Landsleuten ihren nationalen Untergang! Wir geben auf derlei verstimmende und entmutigende Voraussagen nichts, sind vielmehr der Überzeugung, dass unsere deutsche Sprachinsel in sich selbst Kraft genug hat, sich in ihrer Eigenart zu erhalten, auch in den folgenden Jahrhunderten. Gottschee wird standhalten trotz Wetter, Sturm und Graus!