aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale

Wir bauen neu auf

von Eduard Lackner,
Reintal, geb. 19.5.1908,
Steiermark

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Wir waren sechs Kinder, die beiden ältesten sind schon als Kleinkinder gestorben (es wären Brüder gewesen), die beiden jüngsten, Mädchen, ebenso als Kleinkinder. Nach dem Militär bin ich einige Winter in die Tschechoslowakei hausieren gegangen. Dann habe ich nach Amerika wollen, aber die Tante hat geant­wortet: „Nein, ich helfe dir nicht herein, bleib du nur zu Hause und schau, daß der Besitz schön bearbeitet wird.“ Ich habe dann 1936 geheiratet und meine Frau Hilda hat so viel Freude am Hause gehabt, daß wir gesagt haben: „Wir bauen um und neu auf.“ Mit einem Ochsenfuhrwerk haben wir angefangen, die Mauersteine und Ziegel von Römergrund herauf zu fahren, auch das Bauholz haben wir schon gehabt, ebenso den Sand, die Arbeit war an den Baumeister vergeben, da kam die Umsiedlung.

Im Ansiedlungsgebiet bin ich zum Volkssturm gekommen; in der Erntezeit aber habe ich Urlaub gehabt, um auf dem zugewiese­nen Hof zu helfen. Während eines solchen Urlaubs ist die Kompanie, zu der ich gehört habe, von Partisanen überwältigt worden und sie haben die Gottscheer erschossen. Am 10. Mai 1945 sind wir dann mit dem Pferdewagen – ein 6 m langer Leiterwagen, weg vom Ansiedlungsgebiet. Meine Frau hätte mit den Kindern mit dem Zug fahren können, aber, ja. – Das Militär auf dem Rückzug: „Zivilisten weg von der Straße!“ Da standen wir am Straßenrand mit unserem Fuhrwerk, bis es die Ustascha in den Straßengraben geworfen hat. Es war spät geworden, die Kinder haben geweint, wir zu Fuß weiter. Eine Frau hat uns slo­wenisch eingeladen, im Haus zu übernachten. Vergelts ihr Gott! In der Früh bin ich den Weg noch einmal zurück zum Wagen und hab etwas geholt: Kleider und Lebensmittel. Ein Handwagerl war dort, das hab ich beladen, die Kinder drauf und wir sind wieder ein paar Kilometer weiter, dann im Freien übernachtet. Gut, daß es nicht mehr kalt war. Am Morgen bin ich ans Saweufer, dort haben Pferde geweidet. Ich hab den Befehl der Partisanen ge­kannt: Wer ein Pferd nimmt, wird erschossen! Aber, ich hab es getan, auch einen Wagen. Mei, sind dort viele herumgestanden, ein Zelt drüber, und los. Aber sie haben uns wieder nach Rann zurück getrieben, auf dem Friedhof haben wir übernachtet. Ein weiterer Befehl: Frauen bringen die Pferde auf die Hutweide! Ja, ich wußte es: Aus! Kein Pferd mehr. „Wer will, kann den Wagen nehmen und selbst ziehen!“ – eine weitere Anordnung. Ja, bis zum Bahnhof, dort haben sie die Männer hinter Stacheldraht, die Frauen und Kinder haben draußen bleiben dürfen; dann haben sie alle namentlich aufgeschrieben. Nach ein paar Tagen haben sie uns einwaggoniert, bis Marburg sind wir gekommen, dann zu Fuß von Marburg bis Leibnitz, dabei wieder eine Nacht im Freien geschlafen. In Österreich sind wir von Haus zu Haus gegangen und haben um Essen gebettelt. Mit unterschiedlichen Erfolg; manche gaben nichts, sie hätten selbst nichts mehr, haben sie gesagt, andere gaben. Aber eine Schüssel Sterz und Milch und wir zwei Familien mit Kindern, alle hungrig, im Augenblick war die Schüssel leer!

In einem Schloß haben wir nach Arbeit gefragt, auch bekommen, aber nach einigen Tagen war der Bürgermeister da: Flüchtlinge müssen ins Lager. Über Graz ging es nach Preding, wo ich 18 Monate bei einem Bauern arbeitete. Ich bin dann zu einer Baufirma nach Graz; ein Barackenteil 4 x 4 m war alles für uns. Der Bruder meiner Frau nahm uns schließlich zu sich und zehn Jahre dauerte es, dann hatten auch wir unseren Bauplatz. Aber den Einzug ins Haus hat meine Frau nicht mehr erlebt.

Quellenangaben:

1330 – 1941  Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel
Heft 4 und 5

Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland

Weilheim 1994