Die Deutsche Sprachinsel Gottschee im 19. Jahrhundert
Maria Kundegraber
Nach dem Aufhören der Türkeneinfälle und einer Zeit schwerer Bedrückung, die 1515 zum Bauernaufstand führte, erlebte das Gottscheerland – die Grafschaft Gottschee – seit dem Erwerb des Gebietes durch die Grafen von Auersperg 1641 eine ruhigere Periode. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen waren freilich auch in dieser Zeit ungünstig, und die 1792 erfolgte Erhebung des Herrschaftsbesitzers in den Rang eines Herzogs von Gottschee brachte der Bevölkerung deine Vorteile. Sie musste nach wie vor von den kargen Bauernwirtschaften, der Hausindustrie mit Holzwaren – und Leinenerzeugung und dem Hausierhandel in fernen Ländern leben. Die Stadt Gottschee (Kočevje), der das Stadtrecht 1471 verliehen worden war, hatte um die Wende zum 19. Jahrhundert nur etwa eintausend Einwohner, bei denen aber das Handwerk eine untergeordnete Rolle spielte. Die meisten Stadtbewohner lebten von der Landwirtschaft und dem Handel.
Die Sprachgrenze hatte sich im laufe der Jahrhunderte in einer Art Ausgleichsbewegung herausgebildet, nachdem die Siedlungstätigkeit von außen abgeschlossen war. An frühere Verhältnisse erinnern noch Windischdorf (Slovenska vas) in der Sprachinsel nördlich der Stadt Gottschee und Nemška vas (Deutschdorf) südlich von Reifnitz (Ribnica). In Windischdorf konnten 1573 die Bewohner nur mehr die deutsche Sprache, wie aus einer Eingabe des Pfarrers von Gottschee hervorgeht. Der Anreiz für Neuzuzügler aus der Nachbarschaft war gering, da es keine verlockenden wirtschaftlichen Möglichkeiten gab, abgesehen davon, dass eine Fluktuation der bäuerlichen Bevölkerung durch die Grundherrschaft eingeschränkt wurde, ja wenn sie nicht in deren Interesse lag, unmöglich war. Die Tatsache, dass das Gottscheerland eine eigene Herrschaft war, hat die Stagnation noch verstärkt.
Das beginnende 19. Jahrhundert brachte neue Unruhe von außen; die Gottscheer wurden in die Wirren der europäischen Geschichte hineinge2ögen, sie teilten das Schicksal des Landes Krain. Es traten aber auch Veränderungen und Neuerungen ein, die die Bewohner des Herzogtums Gottschee und ihre Kultur auch außerhalb des Landes bekannt machten. Diese Entwicklung wurde durch das beginnende landeskundliche und topographische Interesse der Aufklärungszeit eingeleitet und durch die frühen volkskundlichen Aufzeichnungen und Forschungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fortgesetzt.
Im Jahre 1809 kam Gottschee nach dem Unterliegen des österreichischen Truppen in Oberitalien in unmittelbare Berührung mit dem napoleonischen Kriegsgeschehen. Die französischen Truppen, aus dem Kanaltal kommend, im Mai dieses Jahres in Krain ein. Schon 1797 waren auf dem Schweinberg (Jasnica) fünf Befestigungen durch 2892 Gottscheer, 565 Kostler und 838 Reifnitzer errichtet worden, die jedoch 1809 die Besitzergreifung des Gottscheerlandes durch die Franzosen nicht verhindern konnten. Es fand bei Kerndorf (Mlaka) ein Gefecht statt, bei dem die Gottscheer unterlagen. Am 7. Juli forderten die Franzosen eine hohe Kontribution von Krain, von der auch die Gottscheer betroffen waren. Sechshundert Gottscheer Bauern, die ihre Zahlungen nicht geleistet hatten, erhoben sich am 10. September gegen die Franzosen. Nach einer Verstärkung der Besatzung durch ein weiteres französisches Bataillon wurden die Aufständischen zerstreut. In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober brach ein neuer Aufstand in Gottschee und Weisskrain aus. Bei Malgem (Mala gora) fielen drei französische Offiziere, am 9. Oktober wurde in Lienfeld (Livold) der Kreiskommissär von Rudolfswerth (Novo mesto) erschlagen. Daraufhin Hessen die Franzosen die Stadt Gottschee plündern und anzünden, ebenso Pölland (Predgrad) und Kostel. Die Häuser der Stadt waren damals noch zum größten Teil aus Holz gebaut. Fünf Anführer wurden am 18. Oktober erschossen: einer aus der Stadt, einer aus Windischdorf (Slovenska vas), einer aus Eben (Ravne), zwei aus Malgem (Mala gora). 1
Nach dem Frieden von Schönbrunn vereinigten die Franzosen die eroberten Länder dieser Region zu den „Illyrischen Provinzen“, deren Verwaltungseinteilung auch nach dem Abzug der Besatzung 1814 im „Königreich lUyrien“ bis 1849 erhalten blieb.
Die Franzosenzeit lebte in der Volkssage weiter, die von der Ermordung eines französischen Offiziers in Graflinden (Knežja Lipa) erzählt. Er wurde darnach in der sogenannten Franzosengrube begraben. Die Vergeltung für den Mord traf den Suppan von Graflinden.2
1849 wurden neue Verwaltungseinheiten geschaffen, wodurch das bis dahin zusammengehörende Siedlungsgebiet der deutschen Gottscheer drei Bezirkshauptmannschaften beziehungsweise fünf Gerichtsbezirken zugeteilt wurde. Zum Bezirk Gottschee kamen slowenische Dörfer, Gottscheer Dörfer wurden zu Rudolfswerth (Novo mesto) und Tschernembl (Črnomelj) geschlagen. Damit war die einheitliche Verwaltung für das Siedlungsgebiet verschwunden.
Durch die Auflösung des Untertanenverbandes wurden Zehent und Robot aufgehoben. Mehr als 9900 Hektar Wald und Weideland gingen in Bauembesitz über. In der Folge entstanden einige kleinere Industriebetriebe, die nichterbenden Bauernsöhnen eine Arbeitsmöglichkeit boten. Das 1795 gegründete Eisenwerk in Hof (Dvor) hatte für Gottschee nur insofern Bedeutung, als auch aus den Gottscheer Wäldern der Herrschaft Auersperg Holz und Holzkohle geliefert wurden. 1835 gründeten die Gebrüder Ranzinger zwischen Suchen (Draga) und Masern (Grčarice) eine Glashütte, die Karlshütte (Glažuta), die aber wegen Unrentabilität wieder aufgelassen wurde. Es fehlte im Gebiet die notwendige Voraussetzung zur Gewinnung des mineralischen Rohstoffes, der zugeführt werden musste. 1856 wurde ein zweiter Versuch mit einer Glashütte in der Nähe der Stadt Gottschee, nämlich bei Schalkendorf (Salka vas) durch dieselben Unternehmer gemacht. Dazu holte man Glasarbeiter aus der Steiermark und aus Böhmen, doch sie konnten ebenfalls nicht verhindern, dass 1888 auch dieser Betrieb eingestellt wurde. Die geologischen und die Verkehrsbedingungen waren hier nicht wesentlich besser gewesen als bei der Karlshütte.
Erst 1893 wurde nach fast zwanzigjährigen Bemühungen und Planungen die Bahnlinie Laibach – Grosslupp – Gottschee (Ljubljana – Grosuplje – Kočevje) eröffnet, die allerdings eine Sackbahn blieb. Ohne den durch die „Trifailer Kohlen Werksgesellschaft“ in Aussicht genommenen Bergbau bei Schalkendorf (Salka vas), der von lang dauernder Bedeutung werden sollte, wäre es vielleicht auch damals noch nicht zum Bahnbau gekommen. Die Bergbaugesellschaft sicherte eine größere Frachtmenge auf der Bahnlinie zu. 3
Der Kohlenabbau, ein Tagbau, an den heute nur mehr der See an seiner Stelle erinnert, begann bereits 1892. Er beschäftigte nicht nur Arbeiter aus den umliegenden Dörfern, sondern führte zu einer beträchtlichen Zuwanderung slowenischer Bergleute mit ihren Familien, die sich vorerst als Inwohner bei den Gottscheem niederließen, und nach und nach eigene Häuser errichteten.
Am bedeutendsten für das Ländchen waren aber, weil dem natürlichen Vorkommen entsprechend, die ebenfalls seit dem 19. Jahrhundert betriebenen Sägewerke. Schon 1857, nach Fertigstellung der Südbahnstrecke Laibach – Triest (Ljubljana – Trst) kam es in Travnik zum Bau einer Dampfbrettsäge, für die man die Eisenbahnstation Rakek nutzbar machte und die Bretter dort zum Transport verlud. Im Gottscheer Gebiet selbst entstand die erste, mit Dampfkraft betriebene Säge 1871 in Karlshütte (Glažuta), am Standort der ersten Glashütte, ein weiteres in Kaltenbrunn (Gredice) ebenfalls 1871 und in Bärenheim (Medvedjek) 1878. Nach der Eröffnung der Bahnlinie nach Gottschee wurden auch größere Dampfsägen in Hirschgruben (Jelendol) und im Homwald (Rog), sowie kleinere Sägen errichtet. Bis zur Gründung der verschiedenen Betriebe hatte der Wald wenig Nutzen gebracht: er lieferte Bau- und Brennholz, das Holz zur Erzeugung der Holzgeschirre und Geräte, zur Erzeugung von Pottasche und man sammelte Buchenschwämme für die Feuerzeuge. 4
In den Ortschaften Lichtenbach (Svetli potok), Kummerdorf (Kumrova vas) und Altfriesach (Staro Brezje) sind um 1850 Produktionsstätten von Loden entstanden. Ein Hausierer hatte die Kenntnis der Erzeugung in Böhmen kennen gelernt. Absatzgebiete für den weissen, schwarzen und gemusterten Loden waren Kroatien und Dalmatien. Ob unter den Erzeugnissen dieser Webereien auch jener Loden war, aus dem die Gottscheer ihre Überkleider, die Joppen, nähten, ist und nicht überliefert. Gegen Ende des Jahrhunderts ging die Lodenerzeugung allerdings wieder zurück, da die Konkurrenz zu gross war. 5
Im 19. Jahrhundert kam es in der Gottschee zu einer Verbesserung der geistigen und kulturellen Versorgung der Bevölkerung. Dazu gehörten die Pfarrgründungen. Seit 1787 war die Stadtpfarre Gottschee Dekanat. Aus den alten Pfarren wurden vorerst Lokalkaplaneien abgetrennt, von denen die meisten später zu Pfarren erhoben wurden.
Aus Gottschee:
1788 Pfarre Mitterdorf (Stara Cerkev)
Aus Rieg (Kočevska Reka):
1791 Lokalkaplanei Morobitz (Borovec) 1876 Pfarre
1845 “ Göttenitz (Gotenice) 1878 “
Aus Mosel (Mozelj):
1840 Expositurkaplanei Oberskrill (Zdihovo)
Aus Tschermoschnitz (Črmošnjice):
1791 Lokalkaplanei Stockendorf (Planina) 1875 “
1792 “ Pöllandl (Koč. Poljane) 1875 “
Aus Altlag (Stari log):
1807 Lokalkaplanei Ebental (Polom) 1876 “
1825 “ Unterwarmberg (G.T. Reber) 1875 “
Aus Altenmarkt – Pölland (Stari trg – Poljane):
1796 Lokalkaplanei Unterlag (Spodnji log) 1875 “
1828 “ Unterdeutschau (Nem. loka) 1854 “
Aus Reifnitz (Ribnica):
1767 Lokalkaplanei Masern (Grčarice) 1875 “
Aus Ossilnitz (Osilnice):
1799 Lokalkaplanei Obergras (Trava) 1834 Pfarre Suchen (Draga)
In den meisten Orten bestanden schon vorher Kirchen, so dass es wegen der Neugründungen nicht zu Kirchenbauten kommen musste. 6
Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Schulwesen. Im 18. Jahrhundert gab es im Gottscheerland nur Privatschulen, sogenannte „Notschulen“. Erst im 19. Jahrhundert kam es zur Gründung öffentlicher Schulen, die vorerst in den Pfarrorten entstanden.
1818 Altlag (Stari log)
1819 Mitterdorf (Stara Cerkev)
1820 Mosel (Mozelj)
1822 Tschermoschnitz (Črmošnjice)
1829 Nesseltal (Koprivnik)
. Rieg (Kočevska Reka)
1852 Pöllandl (Koč. Poljane)
1854 Unterlag (Spodnji log)
. Göttenitz (Gotenice)
1855 Suchen (Draga)
1856 Morobitz (Borovec)
1863 Ebental (Polom)
Das Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869 brachte die allgemeine Schulpflicht. Es kam zu weiteren Schulgründungen, die aber die armen Gemeinden in finanzielle Schwierigkeiten brachten.
1874 Stalzern aus einer Schulstiftung.
1876 wurde die Volksschule in der Stadt Gottschee in eine Knabenschule und eine Mädchenschule geteilt.
1883 wurde die Privatschule bei der Glasfabrik Ranzinger aufgelassen. 7
Vielen Kindern war wegen der großen Entfernung der Schulbesuch erschwert. Die kleinen armen Gottscheer Landgemeinden hatten nicht die Mittel für einen Schulbau, der in ihre Kompetenzen gefallen ist. Am 13. Mai 1880 wurde in Wien der „Deutsche Schulverein“ gegründet. Er darf nicht mit dem am 5. Juli 1886 in Graz gegründeten „Schulverein für Deutsche“ verwechselt oder zusammengeworfen werden, der sich durch Antisemitismus hervortat, dem aber auch die Bestrebungen des „Deutschen Schulvereins“ zu wenig radikal waren und gegen den er sich ausdrücklich wendete. Der „Schulverein für Deutsche“ hat sich offensichtlich in Gottschee nicht betätigt.
Die Satzungen des „Deutschen Schulvereins“ drücken seine Bestrebungen mit folgenden Worten aus: „Der Deutsche Schulverein hat den Zweck, in Österreich an Orten mit sprachlich gemischter Bevölkerung, besonders an den deutschen Sprachgrenzen und auf den deutschen Sprachinseln, die Bestrebungen zur Erlangung und Erhaltung deutscher Schulen zu unterstützen“. In der Gottschee baute er mehrere Schulhäuser oder unterstützte deren Bau mit finanziellen Mitteln, zahlte Mieten für Schulräume, besoldete Lehrer und stattete Schulen und Schüler mit Lehrmitteln aus. 8
Schulgründungen:
1882 Maierle (Mavrlen) und Langenton (Smuka)
1883 Masern (Grčarice) und Schäflein (Ovčjak)
1884 Hohenegg (Onek) *
1885 Lichtenbach (Svetli potok) *
. Gottschee, Privatschule der Waisen- und Erziehungsanstalt. *
1888 Steinwand (Podstenice) und Unterskrill (Skrilj)
1892 Lienfeld (Livold) *
1897 Obergrad (Trava)
1898 Altbacher (Stari breg) *
1905 Verdreng (Podlesje) und Reichenau (Rajhenav)*
1908 Reuter (Laze)
1909 Rodine (Rodine) und Stalldorf (Stale)
1910 Wertschitz (Vrcice)
(Die mit * bezeichneten Orte sind keine Randsiedlungen, sondern inmitten des Gebietes der Sprachinsel Gottschee gelegen.)
Aus dem Tätigkeitsbericht des „Deutschen Schulvereins“ für das Jahr 1885 geht zum Beispiel hervor, dass das Schulgebäude in Maierle vom Verein errichtet worden war und dass man im Berichtsjahr die öffentliche Schule in Altbacher durch Bestreitung des Mietzinses unterstützte. Subventioniert wurde auch der Neubau der Schule in Tschermoschnitz. Lehrmittel erhielten die Schulen von Altbacher, Lichtenbach und Tschermoschnitz. Für den Musikunterricht am Gymnasium der Stadt Gottschee wurde eine Remuneration gewährt.9
Die 1882 errichtete „Fachschule für Holzindustrie“ in der Stadt Gottschee hatte die Aufgabe, die Hausindustrie-Erzeugnisse aus Holz zu verbessern und neue Produkte, die einen guten Absatz versprachen, einzuführen. Auch gab es Unterricht im Holzschnitzen. Der Ankauf des Schulgebäudes war zum großen Teil durch eine Spende des Gottscheer Kaufmannes Johann Stampfl möglich geworden. Als Förderer dieser Schule trat auch der „Deutsche Schulverein“ in Aktion. 10
Das 1871, also zum Vierhundertjahr-Jubiläum des Stadtrechtes, gegründete Staats-Untergymnasium mit deutscher Unterrichtssprache wurde erst 1907 ein vollständiges Staatsgymnasium. 1919 wurde das deutsche Gymnasium in ein slowenischen umgewandelt. 11
Am 24. November 1889 wurde ein weiterer Verein gegründet, der sich die Förderung von Schulen und Kindergärten, die Unterstützung von Volksbüchereien und Schulbüchereien zur Aufgabe gemacht hat. Es war dies der „Verein Südmark“, der nach dem Ersten Weltkrieg mit dem „Deutschen Schulverein“ zusammengeschlossen wurde, bis dahin aber eigene Förderungsmaßnahmen durchführte. In den Satzungen des Vereines wird an erster Stelle die wirtschaftliche Unterstützung genannt, Schulgründungen gehörten nicht zu seinen Aufgaben. Hingegen suchte der Verein Ortsgruppen zu gründen. In der Stadt Gottschee gab es seit 1893 eine Männer-Ortsgruppe, seit 1897 eine Frauen-Ortsgruppe. 12
Das Vereinswesen spielte eigentlich nur in der Stadt eine Rolle. Vor der Wende zum 19. Jahrhundert bestanden in Gottschee eine Schneiderzunft (gegründet 1771) und eine Schuhmacherzunft (gegründet 1789). Erst 1874 entstand auf Anregung der Besitzer der Glashütte bei Schalkendorf, der Brüder Ranzinger, eine Schützengesellschaft, die sonntags auf der alten Schiessstätte Schießübungen und Bestschiessen abhielt. 1878 wurde die „Freiwillige Feuerwehr“ gegründet, in der sich hilfsbereite Bürger zusammenschlössen, um im Katastrophenfall zu helfen. 1880 entstanden der „Gottscheer deutsche Turnverein“ und ein Unterstützungsverein) für bedürftige Gymnasialschüler. Im darauffolgenden Jahr gründeten Gottscheer Bürger die Ortsgruppe Gottschee des „Deutschen Schulvereins“. Im Jahr 1883 schlossen sich die Lehrer zum „Gottscheer deutschen Lehrerverein“ zusammen. Weitere Vereine entstanden nach 1900: „Gottscheer deutscher Handwerkerverein“, „Gottscheer deutscher Gesangverein“ und „Gottscheer Theaterverein“. 13
Die zahlreichen Gottscheer, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auswanderten, gründeten auch in der Fremde eigene Vereine, zum Teil mit sozialer Ausrichtung, zum Teil zur gemeinsamen Geselligkeit.
1889 „Erster Österreicher Unterstützungs Verein in Cleveland, Ohio.“
. Er zahlte im Krankheitsfall an seine Mitglieder ein wöchentliches Krankengeld von 5 $ aus.
1891 „Verein der Deutschen aus Gottschee in Wien“.
1900 Gottscheer Männerchor in Brooklyn, N.Y.
1901 „Gottscheer Krankenunterstützungsverein von Groß New York“.
1902 Deutsch-Österreicher Unterstützungsverein in Cleveland, Ohio.
1919 Verein „Gottscheerland“ in Graz.
Die Stadt Gottschee hat 1843/44 noch eine wichtige soziale Einrichtung geschaffen, das städtische Krankenhaus. 1896 bekam Gottschee Elektrizität und eine Wasserleitung, was in dem an sich wasserarmen Land bei der wachsenden Zahl der Einwohner der Bezirksstadt von großer Wichtigkeit war. 15
Die Bevölkerungszahlen in der Sprachinsel, d. h. in der ehemaligen Grafschaft, dem nachmaligen Herzogtum Gottschee, werden in den einzelnen Publikationen verschieden angegeben, vielleicht auch dadurch bedingt, dass die alte Einheit durch die Neueinteilung der Verwaltungsbereiche zerstört worden war.
1823 Joseph von Rudesh) 18.000 Personen
1857 (Carl von Czoemig d.Ä.) 22.898 Personen
1869 (Karl J. Schröer) 25.916 Personen
1869 (Karl von Czoemig d.J.) 21.301 anwesende Personen . (13.055 weiblich, 8266 männliche Personen)
1880 Volkszählung 23.443 Personen deutschsprechend
1890 Volkszählung 19.047 Personen
1900 Volkszählung 18.565 Personen
Bei den niedrigen Zahlen männlicher Bewohner ist mit der Abwesenheit der Hausierer zu rechnen, die monatelang von zuhause fort waren und seit 1880 mit den zahlreichen Amerika- Auswanderern; erst im Laufe der Jahre schlossen sich auch Mädchen den „Amerikanern“ an. Die Auswanderung nach Amerika brachte auch einen Rückgang des deutschen Anteils, während im Bereich der Stadt die Zuwanderung slowenischer Bergarbeiter zur Änderung der Verhältniszahlen beitrug.
Einige Beispiele über die Veränderungen zwischen 1880 und 1900: 16
Ort: 1880 deu slo 1900 deu slo
Stadt Gottschee 1343 99 1783 255
Schalkendorf 387 8 311 39
Mitterdorf 196 23 196 28
Lienfeld 252 47 298 –
Masern 252 36 267 15
Altlag 534 13 510 9
Morobitz 97 27 125 –
Mrauen 133 34 148 5
Reuter (Laase) 120 – 106 –
Suchen 78 158 203 39
Bärenheim 24 58 6 17
Diese „Veränderungen“ sind jedenfalls nicht in jedem Fall auf Zu- und Abwanderung zurückzuführen, sondern auch auf schwankendes Volksbewusstsein und Beeinflussung von verschiedener Seite. In manchem Fall mag Vorteils-Denken eine Rolle gespielt haben. Vergleiche von Zahlen in verschiedenen Publikationen zeigen, dass sie in jedem Fall mit Vorsicht zu verwenden sind. Zum mindesten könnte eine Überprüfung in Volkszählungsbogen des alten Österreich in denen nach der Umgangssprache gefragt wurde, eine einheitlichere Vergleichsbasis erbringen.
Eine wichtige Quelle für die Verhältnisse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die zum Franziszeischen Kataster erhobenen Angaben. In Bezug auf Personenstand, familiäre Verhältnisse, Auswanderung und berufliche Möglichkeiten enthalten die in den Gottscheer Pfarren angelegten Hausverzeichnisse, die den Titel „Status animamm“ tragen, wertvolle Hinweise. Die Aufzeichnungen beginnen in den einzelnen Pfarren zu verschiedenen Zeiten.
Als herrschaftlicher und wirtschaftlicher Mittelpunkt soll die Stadt Gottschee, deren Stadtrecht auf das Jahr 1471 zurückgeht, an erster Stelle betrachtet werden.
1831 betrug die Bevölkerungszahl der Stadt nach dem „Catastral Schaetzungs Elaborat der Steuer Gemeinde Stadt Gottschee“ 1143 Seelen, 559 männliche und 584 weibliche Personen. Sie lebten in 220 Familien. 161 Häuser standen ihnen als Wohnung zur Verfügung; nur drei Häuser hatten zwei Stockwerke, 96 ein Stockwerk, die übrigen besaßen nur ein bis zwei Zimmer im Erdgeschoss. Ein Zahlenvergleich lässt vermuten, dass in den Erdgeschosshäusern je eine Familie lebte, in den größeren Häusern je zwei Familien. Die meisten Hausbesitzer hatten auch Grundstücke. 105 Viertelhübler besaßen je acht bis zehn Joch Grund ( = 4 1/2-5 3/4 ha), 32 Fünfachtelhübler waren die größten Besitzer mit je zehn bis zwölf Joch ( = 5 3/4 -ca. 6,9 ha). Die Kleinstbesitzer, nämlich neun Häusler (1-2 Joch) und 11 Keuschler (1/2 Joch), fallen für die Selbstversorgung der Stadt mit Lebensmitteln kaum ins Gewicht. Nichts sagt das Dokument über den Grundbesitz aus, der zu den vier Mühlen, dem Pfarrhof, dem Schulhaus und dem Schloss gehörte. Außer von der Landwirtschaft lebten die Bewohner vom Handel. Abgesehen von den Müllern gab es einen Fleischhauer, einen Lederer, mehrere Schneider und Schuster. Es fehlte also eine ganze Reihe von wichtigen Handwerkern, wie etwa Weber und Färber und sämtliche Bauhandwerker. Entsprechend der zentralen Funktion der Stadt lebten in ihr vier Geistliche, sieben Beamte und eine nicht erwähnte Zahl von Polizisten.
Der Viehbestand der Stadt diente wohl in erster Linie der Selbstversorgung: 227 Kühe und 161 Schweine. Letztere wurden gemästet zur „Fleisch- und Speckerzeugung für die Haushaltung“. Die 87 Pferde und 44 Ochsen brauchte man als Zugtiere in der Landwirtschaft und vermutlich auf Handelsfahrten. Wir erfahren auch, dass jeden Mittwoch Wochenmarkt abgehalten wurde, auf dem die Einfuhr von Getreide aus der Gegend von Karlstadt (Karlovac) in Kroatien eine besondere Rolle spielte. Das Getreide wurde von den Bewohnern der Herrschaft Gottschee gekauft, da wegen der zu geringen Ackerflächen die eigenen Ernten für die Versorgung nicht ausreichten.
Aus den Antworten geht weiter hervor, dass die Nahrung in der Stadt größtenteils aus Gemüse bestand, vermutlich Kraut und Rüben, wahrscheinlich auch Erdäpfeln, dass wenig Mehlspeisen und selten Fleischspeisen gegessen wurden. Der Hinweis, dass gern Wein getrunken worden wäre, überrascht, denn es gab im Gottscheerland fast keinen Weinbau. Genauere Angaben über die Nahrung fehlen leider.
Als Beispiele der Verhältnisse in Gottscheer Landgemeinden habe ich in Stadtnähe einige Siedlungen in der Pfarre Mitterdorf (Stara Cerkev) ausgewählt und die kleine abgelegene Gemeinde Unterlag im Süden, die an die Kulpa grenzte.
Die erste Gruppe umfasst außer dem Pfarrort Mitterdorf Kerndorf (Mlaka), Rain (Breg), Windischdorf (Slovenska vas). Ort (Konca vas) und Obrern (Gorenje). Nach dem Verzeichnis der Bauparzellen und Pläne waren 1825 in Mitterdorf 26 Hausnummern vergeben. Abgesehen vom Pfarrhof (Nr. 1) und den Nummern 27 und 28, die auf einem kleinen Grundstück standen und über keine Wirtschaftsgebäude verfügten, sind die Besitzer als Bauern anzusprechen, die die wirtschaftliche Struktur des Dorfes bestimmten. Ein freistehendes Gebäude am Beginn der nordwärts nach Ort führenden Straße ist als Fleischbank gekennzeichnet, die im Eigentum des Pfarrhofes war und von einem Bauern aus Malgern betrieben wurde. Nach dem Katasterplan waren in Mitterdorf um das erste Viertel des 19. Jahrhunderts noch über 90 % der Gebäude aus Holz gebaut. Unter der Katasternummer des Pfarrhofes ist auch das nicht extra ausgewiesene gemauerte Schulhaus zu finden; die öffentliche Volksschule ist kurz vorher, nämlich 1819, gegründet worden. 17
Fast alle Wohnhäuser standen entlang der westlichen Straßenseite. Hinter den Hofstellen erstreckten sich kleine Baumgärten und weiter hinaus die zahlreichen schmalen Ackerparzellen. Jeder Bauer hatte an den jeweiligen Ackerfluren seinen streifenförmigen Anteil: wir haben es hier – wie in anderen Gottscheer Siedlungen – mit einer Gewannflur zu tun.
Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Mitterdorf bereits 46 Hausnummern, worin eine Brandstätte, das Schulhaus, ein Grundstück mit abgerissenem Haus und der Bahnhof enthalten sind.
Wir kennen im Zusammenhang mit dem Kataster nicht die Besitzgrößen um 1825, wohl aber, überliefert im Status animarum aus dem Jahrhundertende. Darin finden wir: 2 Ganzhübler, einen Dreiviertelhübler, drei Achtelhübler und neun Häusler. Vermutlich bestanden die größeren Besitzungen schon am Beginn des Jahrhunderts, hinzugekommen werden die Häusler sein, deren hohe Hausnummern für eine späte Bauzeit sprechen. Unter den Häuslern befand sich der einzige Handwerker des Dorfes, ein Schmied.
Einer der Achtelhübler war aus Mähren zugewandert; er besaß ein schon am Beginn des Jahrhunderts kleines Hausgrundstück an der Seitengasse nahe der Kirche, das 1825 einem Michael Erker gehört hatte. Zugewandert waren außerdem: ein Häusler aus Retje in der Pfarre Laserbach (Loški potok), einer aus Prezid in Kroatien, einer aus Niederdorf (Dolenja vas); die übrigen Häusler trugen typische Gottscheer Familiennamen und waren größtenteils in der Pfarre Mitterdorf gebürtig. Ein Besitzer einer ganzen Hube war pensionierter k. k. Gendarmerie Postenführer, also kein Bauer; scheinbar hatte er in den Besitz eingeheiratet; er war in Scharfenberg in der Gegend von Gurkfeld (Krško) geboren worden und slowenischer Nationalität; seine Frau war Gottscheerin. Nicht einheimisch war auch der Bahnbeamte, der aus Trata, Bischoflack (Škofja Loka) stammte. Anders die LehreR: sie waren Gottscheer aus Mitterdorf.
Windischdorf (Slovenska vas) war das größte Dorf der Pfarre. Es hatte 1825 43 Hausnummern, wovon allerdings zwei nicht vergeben waren. Die Dorfanlage ist als Straßendorf zu bezeichnen; ein einziges Gebäude, eine Sägemühle stand weit außerhalb an der Rinnse (Rinža), dem einzigen Gewässer weit und breit. Zwei Häuser hatten ganz wenig Hofgrund; wir dürfen sie wahrscheinlich als Häusler ansprechen. Nur 15 % der Gebäude waren gemauert, offensichtlich Wohnhäuser. Um 1900 hatte das Dorf bereits 61 Hausnummern, von denen zwei Brandstätten und zwei abgerissene Häuser abgerechnet werden müssen. Ein von einem Lehrer bewohntes Haus war noch ohne Nummer. Soweit Angaben gemacht wurden, gab es in Windischdorf drei Ganzhübler, zwei Dreiviertelhübler, einen Fünfachtelhübler, 21 Halbhübler, einen Dreiachtelhübler, sechs Viertelhübler, vier Achtelhübler und fünfzehn Häusler. Ein Ganzhübler betrieb eine Gastwirtschaft, eine Dreiviertelhube besaß ein pensionierter Landesgerichtsrat, der Dorfschmied saß auf einer Achtelhube, die übrigen Handwerker, nämlich ein Wagnermeister, ein Maurer und ein Steinmetz waren Häusler. Wir können daraus schließen, dass die Handwerker nicht erbende Bauernsöhne waren, die sich auf einem bisher unbebauten Grundstück ihr kleines Anwesen errichtet hatten.
Kerndorf (Mlaka) hatte 1825 unter seinen 23 Hausnummern ein „Dominical-Haus“ am Rande der großen Dorflacke, ein Gebäude also, das der Grundherrschaf t gehörte. Zur Filialkirche SS. Philipp und Jakob, einer typischen kleinen Gottscheer Kirche, gehörte ein kleines Gebäude, das als „Kasten“ bezeichnet ist; es war jedenfalls dazu bestimmt, die Naturalabgaben an den Pfarrer aufzunehmen, während ans Dominical-Haus vermutlich die Abgaben an die Grundherrschaft abzuliefern waren. Die zehn gemauerten Wohnhäuser, ergeben 20 % der Gebäude des Dorfes; möglicherweise ist dieser relativ hohe Anteil durch einen vorhergehenden Brand zu erklären. Die abseits auf einem Hügel liegende gemauerte Kirche mit hölzernem Vorbau war älteren Datums, wie aus der barocken Einrichtung zu schließen ist, obwohl sie bei Valvasor nicht erwähnt wird.
Die Dorfform ist offenbar aus einem Weiler entstanden, dessen Haus- und Hofzahl durch Erbteilung vermehrt wurde. Bis zum Ende des Jahrhunderts war die Häuserzahl auf 45 angewachsen; sie hatte sich also innerhalb von 75 Jahren verdoppelt. Daraus erklärt sich auch der hohe Anteil der Häusler, nämlich neunzehn. In diesen Kleinstbesitzungen lebten die Dorfhandwerker: ein Schneider, zwei Schuster, ein Tischler und ein Steinmetz. Die größeren, ursprünglichen Besitzungen bestanden aus elf Halbhüblern, neun Viertelhüblern und fünf Achtelhüblern; von einem Besitz fehlt die Angabe. Bei der Dorfgründung wurden vermutlich acht Huben vergeben, also acht Familien angesiedelt.
Eine ähnliche Entwicklung vom Weiler zum Haufendorf hat wohl auch Ort (Konca vas) genommen, das um 1825 fünfzehn Hausnummern hatte; ein Haus besaß keinen Hofgrund, und die Nummer fünfzehn ist als Gemeindehaus bezeichnet. Nur drei Häuser waren gemauert, alle übrigen Gebäude, nämlich 93,5 % sind Holzbauten gewesen. Die Häuserzahl hat sich bis 1900 auf 24 vermehrt. Ort könnte eine Tochtergründung von Mitterdorf gewesen sein. Auch Ort könnte ursprünglich aus acht Huben bestanden haben. Ende des 19. Jahrhunderts gehörten drei ganze Huben, eine Dreiviertelhube, sieben Halbhuben, eine Dreiachtelhube, zwei Viertelhuben, eine Achtelhube und sechs Häusler zur Ortschaft. Von einem Haus ist die Besitzgröße nicht angegeben, zwei Häusler zur Ortschaft. Von einem Haus ist die Besitzgröße nicht angegeben, zwei Häuser waren abgerissen. In Ort gab es damals nur einen Handwerker, einen Schneidermeister, der aus Böhmen stammte und eine Oberloschinerin zur Frau hatte. Von den vier Inwohnern von Ort arbeiteten drei als Bergknappen im Kohlenbergwerk Schalkendorf; sie und ein Häusler waren zugewandert.
Obrern (Gorenje) hatte 1825 eine klare Angerdorf-Form mit neunzehn Häusern, das durch die Straße von Mitterdorf nach Malgern gequert wurde. Zwei Gebäude lagen abseits an dieser Straße: ein als Häusler anzusprechender Besitz und ein dem Dorf Obrern gehörendes Haus, über dessen Funktion wir nichts erfahren. Doch verdanken wir einem Beitrag zur Familiengeschichte von Obrern nähere Hinweise. Die Hausnummer 18 diente demnach seit alter Zeit den jeweiligen Dorfhirten für die Dauer ihrer Dienstleistung als Unterkunft. Die Hausnummer 19, das „Gemeindehäusl“ wurde von der Gemeinde betagten oder auch jungen Leuten, die unbehaust waren, vorübergehend als Ersatzwohnung zur Verfügung gestellt.18
Um 1825 waren in Obrern neun Gebäude gemauert, das sind 18 % des Baubestandes. Auch hier ergibt sich die Frage, ob ein vorausgehender Brand dazu geführt hatte, dass man so viele Häuser in Mauerwerk aufgeführt hatte. Um 1900 standen in Obrern bereits 32 Häuser.
Auch in diesem Dorf kommen wir auf einen Gründungsbestand von acht Huben, die um die Jahrhundertwende zu einer ganzen Hube, einer Dreiviertelhube, elf Halbhuben, drei Viertelhuben und dreizehn Häuslern geworden waren. Ein Häusler war Steinmetz, ein Beruf also, der verhältnismäßig häufig vorkam. In Obrern gab es schließlich eine große Zahl von Inwohnern, die meisten von ihnen waren zugewandert, nämlich dreizehn Familien und eine Einzelperson. Acht Familienväter arbeiteten als Bergknappen.
Rain (Breg), das 1825 nur sechs Häuser hatte, ist bis zum Ende des Jahrhunderts auf 21 Häuser angewachsen. Die Hausnummer sechs gehörte 1825 zu einer Mühle und stand an der Rinnse (Rinže). Die Siedlung ist offensichtlich an der Hauptverkehrsstraße von Gottschee nach Laibach (Ljubljana) entstanden auf einem Grund, der die Größe von drei Huben hatte. Bis 1900 gab es vier Halbhübler, drei Viertelhübler, zwei Achtelhübler und neun Häusler. Drei Häuser ohne Angaben sind vermutlich zu den Häuslern zu zählen. Zu den Bewohnern gehörte ein Gastwirt, ein Landbriefträger, ein Zimmermann und ein Finanzwach-Oberaufseher; dieser und ein zweiter Häusler stammten aus der Steiermark.
Zusammenfassend können wir sagen, dass trotz der Nähe der Stadt Gottschee 1825 noch der größte Teil der Gebäude in Holz errichtet war, dass es damals offenbar keine gelernten Dorf-Handwerker gegeben hat, was zu der Vermutung berechtigt, dass z. B. die Bauarbeiten von den Bauern selbst in Form der Nachbarschaftshilfe durchgeführt wurden. Die Dorfformen zeigen eine Vielfalt von mehr oder weniger regelmäßigen geschlossenen Anlagen. Alle erwähnten Dörfer hatten Gewannflur mit schmalen Ackerstreifen. Diese Flurform geht auf die Gründungszeit der Dörfer zurück.
Leider können wir die Einwohner- und Kinderzahl für 1825 nicht angeben, wohl aber jene des ausgehenden Jahrhunderts von 1880n bis 1900.
Dorf Geburtenzahl + im 1.Jahr + bis zum 10 Jahr
Mitterdorf 165 4,8 % 9,7 %
Ort 105 1,9 % 5,7 %
Obrern 135 3,7 % 8,1 %
Windischdorf 217 4,6 % 6,9 %
Kerndorf 179 3,9 % 8,9 %
Rain 97 3,1 % 5,1 %
Außereheliche Geburten waren äußerst selten; das entspricht der Tradition über die Sittenstrenge der Gottscheer.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann die Auswanderung nach Amerika, das heisst, in die Vereinigten Staaten. Der erste Amerika-Auswanderer verließ zwar schon 1853 seine Heimat, bis 1880 waren es aber nur einzelne Mutige, die den Weg über das Meer antraten. Dann nahm aber die Auswanderung solche Ausmaße an, dass fast jedes Dorf seine „Amerikaner“ hatte. Aber auch andere Länder waren Ziel von Gottscheern, die die Heimat ganz oder wenigstens zeitweise verließen. Wir können in der Regel nicht sagen, wer von den Auswanderern wieder zurückgekommen ist, um mit seinen Ersparnissen zuhause die Wirtschaft zu verbessern.
Bis zum ersten Weltkrieg sind ausgewandert:
. Nach Amerika an andere Orte
Aus Mitterdorf 48 22
Aus Ort 46 6
Aus Obrern 24 13
Aus Windischdorf 57 21
Aus Kerndorf 50 14
Aus Rain 23 13
Die Abwanderung an andere Orte ging vor allem in die Länder der Donaumonarchie; bevorzugt waren Orte in Krain, vor allem Laibach, dann Kärnten, die Steiermark, Wien, Kroatien. Nur ein Gottscheer aus der Pfarre Mitterdorf lies sich in Torgau (Preussen) nieder
Der Heiratsumkreis war klein; auch die nach Amerika Ausgewanderten heirateten fast ausschließlich Burschen bzw. Mädchen aus der Heimat. Zugewanderte Junggesellen wählten meistens Gottscheerinnen zur Frau.
Von Interesse ist auch die Berufsausbildung der jungen Leute. Es fällt auf, dass der Pfarrort Mitterdorf an erster Stelle steht. Zur Handwerks- oder Handelslehre ging man nur selten in die Stadt Gottschee, wo die Möglichkeiten offenbar begrenzt waren. Man bevorzugte Lehrstellen in der Steiermark und in Kärnten; ein Lehrling ging nach Niederdorf (Dolenja vas). Nach der Gründung des Untergymnasiums in Gottschee (1871) können wir eine größere Zahl von Studenten feststellen, die bezeichnenderweise wieder fast ausschließlich aus Mitterdorf kamen. Das Berufsziel der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Geborenen: vier Lehrer, zwei Lehrerinnen, vier Juristen, zwei Pfarrer, eine Pharmazeutin, ein Student der Philosophie. Während ein Teil der Studierten in die Heimat zurückkehrte, hatte die Amerika-Auswanderung einen starken Bevölkerungsverlust zur Folge. Warum aus der Pfarre Mitterdorf trotz der 1892 erfolgten Eröffnung des Bergbaues nicht mehr Bergknappen hervorgingen, entzieht sich meiner Kenntnis. Möglicherweise hat die Bergbaugesellschaft erfahrene Bergleute aus ihren anderen Betrieben vorgezogen, bei denen es sich meistens um Slowenen handelte, wodurch die Bevölkerungsstruktur verändert wurde, und zwar sowohl in Hinblick auf den Beruf, als auch auf die Muttersprache. Allgemein wird aber berichtet, dass sich die neu Zugezogenen mit den Alteingesessenen gut vertragen hätten.
Über die kleine Gemeinde Unterlag (Spodnji Log) sind wir besser unterrichtet. Die Beilagen zum Franziszeischen Kataster sind vollständiger erhalten, die Mappe enthält außer der Beantwortung des gedruckten Fragebogens von 1823 oder bald darnach ein handschriftliches „Catastral Schaetzungs Elaborat der Steuer Gemeinde Unterlag“ von 1831, das uns vielerlei Nachrichten über den damaligen Zustand der Gemeinde und der Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse in ihr vermittelt.
Das Gemeindegebiet umfasste außer dem Kirchort die Weiler Unterpockstein (Spodnji Pokštajn), Neugereuth (Lapinje) und Wilpen (Spodnja Bilpa). Unterlag war seit 1796 Sitz einer Lokalkaplanei, die aus der Pfarre Stari trg abgetrennt worden war. Unterlag besaß noch keine Schule, sie wurde erst 1854 gegründet.
Die Dorfanlage von Unterlag ist als Straßendorf anzusprechen, das sich in nordsüdlicher Richtung an der leicht abfallenden Dorfstraße in einer geographischen Höhe von 498 Metern hinzieht. 1831 standen von den 56 nummerierten Häusern der Gemeinde mit neunzig Familien (479 Personen, u. zw. 228 männliche und 251 weibliche) die Nummern 1 – 35 in Unterlag. Drei Nummern waren nicht vergeben, das bedeutet, dass Unterlag 32 Wohnhäuser mit Wirtschaftsgebäuden und Zugebör hatte. Die Häuser waren teils gemauert, teils in Blockbauweise gezimmert und mit Schindeln gedeckt. Dem Katasterplan kann man entnehmen, dass außer der Kirche, dem Pfarrhof und zwei Kapellen in Unterlag acht Wohnhäuser wenigstens zum Teil gemauert waren, dazu kamen neun gemauerte Wirtschaftsgebäude, von denen zwar einige als Scheunen bezeichnet werden, bei denen es sich aber in Wirklichkeit um Speicher gehandelt haben dürfte. Sie zeigen einen quadratischen Grundriss und haben eine Grundflächengröße von 4,84 Quadratklafter (= 17.4 m2), sind also verhältnismäßig klein, haben eine Seitenlänge von wenig mehr als vier Meter. Außerdem stehen sie abseits der übrigen Gebäude im hinteren Bereich des Baumgartens. Speicher wurden zur Sicherheit bei Bränden gerne abseits der Hauptgebäude errichtet. Gemauert waren auch vier freistehende Backöfen am südlichen Ortsausgang in angemessener Entfernung von Kirche und Bauernhäusern. Die Wohnhäuser besaßen ein bis zwei Zimmer im Erdgeschoss. Der Grundriss war aber vermutlich dreiteilig; dass in der Mitte befindliche Vorhaus (gottsch. haus), in dem auch gekocht wurde, wird in den Angaben zum Kataster offenbar nicht mitgerechnet. Das Wirtschaftsgebäude hatte, wie anzunehmen ist, in einem gemauerten Erdgeschoss den Stall, im darüber gezimmerten Obergeschoss die Tenne und die Bergeräume für Heu und Stroh. Das Überwiegen der Blockbauweise ist die Folge des Rechtes, aus den herrschaftlichen Wäldern Bauholz zu entnehmen.
Die Größe des Grundbesitzes einzelner Bauern wissen wir aus dem Status animarum. Ein einziger Bauer besaß darnach eine Dreiviertelhube mit zwölf bis fünfzehn Joch (= etwa 7 bis 8 1 /2 ha); die größte Zahl der Bauern, nämlich 25, hatte eine Viertelhube mit ca. acht Joch (=4 1/2 ha). Es gab in der Gemeinde Unterlag eine große Zahl von Kleinstbesitzern: elf hatten eine Zweiundreißigstelhube, das bedeutet ein bis zwei Joch (= 1/2 bis 1 ha), was natürlich nicht zum Lebensunterhalt einer Familie reichte. Die Unterlager trieben aber nach Aussage der Fragebogen-Antworten kein Gewerbe, abgesehen vom Hausieren in fremden Gegenden. Sie bearbeiteten ihren Grund zur Selbstversorgung im eigenen Haushalt und für ihre „sehr einfache Kleidertracht“. Dabei lag die Feldarbeit größtenteils auf den Schultern der Frauen.
Die Gründe waren durchwegs schlecht, steinig, der Dürre ausgesetzt. Es gab keinen Wasserlauf in Unterlag, Unterpockstein und Neugereuth (Lapinje). Die Ackerfrüchte hatten unter Spätfrösten und Hagelschlag zu leiden. Die Arbeit wurde durch die Streulage der Äcker und Wiesen auf den verschiedenen Gewannen der Gemeinde erschwert, denn man musste bis zu 3/4 Stunden, weit zu den einzelnen Grundstücken gehen.
Das Ackerland wurde in einem dreijährigen Fruchtwechsel genutzt. Nur in einem Jahr des Zyklus wurde gedüngt, da durch den geringen Viehbestand nur wenig Dünger vorhanden war. Es wurde kein Dünger zugekauft und es kamen keine „Surrogate“, also kein Kunstdünger, zur Anwendung. Den meisten Dünger brauchte der Krautgarten; er wurde zweimal jährlich gedüngt! Der Krautgarten war auch nicht in den Fruchtwechsel einbezogen. Der dreijährige Zyklus wechselte vom Anbau der Erdäpfel (3/4 des Ackers) und der Hirse (1/4 des Ackers), zu Weizen im zweiten Jahr und Hafer im dritten Jahr. Von den Erdäpfeln sagt der Berichterstatter, sie seien „sozusagen der einzige Nahrungszweig in der Gemeinde“, womit natürlich übertrieben wird, da ausser den genannten Getreidearten in kleineren Mengen auch Gerste, Mais, Klee, kraut, Flachs, Fisolen und Möhren angebaut wurden. Der Anbau von Zweitfrüchten war wegen der ungünstigen Lage nicht möglich.
In den kleinen Gärten zog die Bäuerin die Krautpflanzen, die später auf dem Acker ausgesetzt wurden, und die Küchenkräuter. Von geringer Bedeutung war der Obstbau; es gab nur Apfel- und Birnbäume und wenig Zwetschken.
Da die Wiesen ebenfalls von schlechter Qualität waren, wurden sie in der Regel nur einmal im Jahr gemäht und brachten hartes Bergheu. Das Gras war mit Moos und allen möglichen Kräutern vermischt. Nebenbei wurde von den Wiesen verkrüppeltes Brennholz gewonnen, da sie ständig von hereinwachsenden Sträuchem gereinigt werden mussten. Die bäuerliche Arbeit hatte also mit Schwierigkeiten verschiedenster Art zu kämpfen.
Der Viehbestand war unbedeutend. In der ganzen Gemeinde zählte man
1823 1831
8 Pferde 19 Saumpferde
97 Ochsen 103 Ochsen
31 Kühe 48 Kühe
14 Stück Jungvieh
326 Stück Kleinvieh 282 Schafe
104 Ziegen
57 Schweine
Die Feldarbeiten wurden mit den Ochsen verrichtet, die Pferde dienten vermutlich einigen Bewohnern für Säumerdienste, bei denen sie möglicherweise Erzeugnisse der Hausindustrie für andere Ortschaften beförderten. 1831 erfahren wir, dass die Pferde in Kroatien gekauft wurden und die Ochsen kroatischer Rasse waren. Die Handelsbeziehungen gingen von Unterlag in Richtung Kroatien, wo man auch in Karlstadt (Karlovac) Getreide kaufte, da die eigene Fechsung für den Bedarf nicht ausreichte.
Nicht in jedem Haus gab es eine Kuh, die Klein- und Kleinstbesitzer deckten ihren Milchbedarf also durch die Ziegen. Die Schafe wurden vor allem wegen der Wolle gehalten, die zu Loden verwebt wurde, den man in Kroatien verkaufte. Da es oben hieß, dass es in Unterlag kein Gewerbegäbe, so bedeutet das, dass die Lodenerzeugung als Nebenerwerb und nicht als Handwerk betrieben wurde.
Die Schweine wurden zur eigenen Versorgung mit Fleisch und Speck gezüchtet. In einer größeren Wirtschaft hielt man ein Pferd, vier Ochsen, zwei Kühe, ein Stück Jungvieh, sechs Schafe, vier Ziegen und zwei Schweine (1831). Zum Pflügen spannte man vier Ochsen ein, zu anderen Arbeiten nur zwei. Wer kein eigenes Gespann hatte, konnte es von seinem Nachbarn ausleihen. Nur in größeren Wirtschaften gab es einen Knecht oder eine Magd, für das ganze Dorf für die Dauer der sommerlichen Weidezeit (sechs Monate) auf den Hutweiden einen Schaf- und einen Viehhirten. Die herbstliche Weidezeit auf den Wiesen dauerte von Mitte September bis Ende Oktober.
Unbedeutend waren die wenigen schlechten Weingärten in Wilpen. 1823 meint der Berichterstatter, sie würden auch nicht mehr lange bestehen, da sie seit vierzehn Jahren nichts getragen hätten. 1831 werden Weingärten nicht erwähnt; vielleicht hatte man sie bereits aufgegeben.
Um die Ernährung der Bevölkerung von Unterlag stand es nicht zum Besten. Als Hauptnahrungsmittel werden gekochte Erdäpfel, Kraut, schlechtes Brot von Hafer- und Hirsemehl genannt. Doch dürfen wir nicht übersehen, dass ja auch eine Reihe anderer Feldfrüchte angegebaut wurde, dass man auch Getreide zukaufte. Das alles war natürlich zum Verzehr bestimmt, abgesehen von jenem Teil des Ertrages, der als Viehfutter gedient hat.
Meine folgenden Ausführungen über Unterlag basieren auf dem Status animarum der Pfarre gleichen Namens; er weist verhältnismäßig genaue Angaben auf und erfasst das ganze 19. Jahrhundert. Es geht aus ihm hervor, da sich die Häuserzahl des Dorfes Unterlag auf 44 Nummern vergrößert hat. Insofern die Besitzgröße angegeben ist, ergibt sich eine weitere Teilung größerer Gründe. Die zwei größten Bauern besitzen nun je eine Fünfachtelhube, gefolgt von zwei Viereinhalb-Achtelhuben und sieben Halbhuben.
In Unterlag kamen im 19. Jahrhundert 694 Kinder zur Welt. 79 starben vor Erreichung des ersten Lebensjahres, das sind 11,4 %, 178 bis zum 10. Lebensjahr, das sind 25,6 %. Das erscheint uns heute eine erschreckend hohe Zahl zu sein. Wenn wir aber die Kindersterblichkeit im damaligen Österreich-Ungarn am Ende des 19. Jahrhunderts dazu in Beziehung setzen, ist sie noch immer günstig! Starben doch im Staatsdurchschnitt von hundert Lebendgeborenen bereits im ersten Lebensjahr 25,4 %! Also eine Prozentzahl, die in Unterlag im zehnten Lebensjahr erreicht wurde. 20
Die höchste Kinderzahl einer Familie war dreizehn, zwölf Kinder hatten drei Familien, elf Kinder zwei Familien. Die häufigste Kinderzahl, nämlich in 22 Familien war zwei, 21 Familien hatten drei Kinder, zwanzig Familien sechs.
Die Abwanderung oder wenigstens zeitweise Abwesenheit von Unterlagern geht aus Randbemerkungen hervor. Im Gegensatz zu Mitterdorf und seinen Nachbardörfern sind aus Unterlag bis zum ersten Weltkrieg nur acht Amerika-Auswanderer vermerkt, 41 gingen allerdings in verschiedene österreichisch-ungarische Länder und nach Deutschland. Allein 1853 hielten sich elf Männer in Deutschland auf, vermutlich als Hausierer. Bevorzugte Ziele waren allerdings Wels und Linz.
Wenn wir den Eintragungen der Unterlager Pfarrer vertrauen dürfen, hat niemand eine Lehre oder ein Studium absolviert. Ein Sohn des Dorfes wurde „Handelsmann in Linz“. Wir gehen wahrscheinlich nicht fehl, wenn wir einen ähnlichen Berufsweg bei anderen Unterlagem, die in die Feme zogen, ebenfalls vermuten.
Zuwanderer kamen in der fraglichen Zeit aus Gottscheer Dörfern, aus nahen slowenischen und kroatischen Dörfern, teils durch Einheirat, seltener durch Erwerb eines Gehöftes.
Es scheint, dass ein Unterlager Pfarrer Freude an zusätzlichen Bemerkungen hatte. Mehrmals erwähnte er Unfälle: Gestorben in Trunkenheit in Lichtenbach; ein achtjähriger Knabe hat sich „bei einer Hochzeit zufällig erschossen“; ein Siebzehnjähriger wurde beim Kalkausgraben verschüttet; ein Fünfundzwanzigjähriger ist – vermutlich als Hausierer – in Waldkirchen (Oberösterreich?) erfroren gefunden worden. Geistige und körperliche Gebrechen schrieb er an den Rand: „etwas blödsinnig“; „Zwergel“, also kleinwüchsig; einem Kind „fehlt ein Raderl“, es war also geistig minderbemittelt, ein anderes war „blöde“, was denselben Zustand meinte. Besonders erregten auch charakterliche Schwächen seine Aufmerksamkeit: Ein „böser Bube“ wanderte dann nach Ungam aus; einem Hausvater wird nachgesagt, er sei ein „homo malitiosus“, einem anderen ist nach Meinung des Pfarrers „nicht zu trauen“. Doch betonte er auch ihm positiv erscheinende Seiten: „war ein guter Mann, ist gern in die Kirche gekommen, hat bei den Prozessionen das Kreuz vorangetragen“. Scharf ging er mit bösen Frauen ins Gericht: „Besser mit dem Teufel zu streiten, als mit diese Xantippe“ oder „der Erzteufel ist kaum übler als diese“.
Das neunzehnte Jahrhundert brachte im Hinblick auf die Volkskultur manche Veränderung mit sich. Diese Veränderungen bedeuteten aber nicht immer eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung.
In der zweiten Hälfte dieses Zeitraumes gaben zuerst die Männer ihre überlieferte Tracht zugunsten einer von der Allerweltsmode geprägten Kleidung auf. Die Hausierer waren die ersten, die modisches Gewand nachhause brachten. In der Stadt Gottschee trugen auch die Frauen bereits modische Kleidung. Die Tracht wurde noch aufbewahrt, manchmal im Fasching hervorgeholt, vor allem aber für besondere Festlichkeiten, in denen man seine Eigenart betonen wollte, hervorgeholt. Die Erinnerung an die Vielfalt der Gottscheer Trachten ging verloren. Man wusste nicht mehr, dass es außer der weißen Männertracht eine dunkle gegeben hatte, deretwegen man auch von „schwarzen Gottscheern“ sprach. 1838 hatte Michael Wolf, Pfarrer in Mosel, an den polnischen Ethnographen Emil Korytko eine Schilderung der Frauentracht in der Pfarre Tschermoschnitz geschickt. Aus dieser Schilderung und späteren Erhebungen geht hervor, dass die Gottscheerinnen dieses Tales eine Tracht trugen, die jener der Poljane (Poljanska dolina) ähnelte. Im größten Teil der Sprachinsel wurde ein festliches Frauengewand getragen, das an die gotische Mode erinnert. Allerdings kam in der letzten Zeit des Trachtentragens ein Leinenkleid auf, das Jahrhunderte einer historischen Entwicklung übersprungen hat und nun, abgesehen vom weißen heimischen Leinen und der Fältelung des Rockes, von der Zeitmode beeinflusst war. 21
Die Gottscheer Bauernhäuser wurden gegen Ende des Jahrhunderts, wenn sie neu errichtet wurden, nicht mehr in Blockbauweise gezimmert, sondern nach Möglichkeit gemauert. Gezimmerte Bauteile älterer Häuser verputzte man mit Mörtel und gab ihnen dadurch das Aussehen eines ganz gemauerten Gebäudes. In den wohlhabenden Dörfern entstanden stattliche einstöckige Wohnhäuser, wie etwa in Nesseltal, Pöllandl, Mosel, wo sie wenigstens noch zum Teil erhalten sind. Anderseits hat man die kleinen ein- und zweiklassigen Volksschulen wie kleine gemauerte Bauernhäuser gestaltet.
Beim Arbeitsgerät sind scheinbar noch im 19. Jahrhundert bescheidene Verbesserungen durchgeführt worden. Die ersten Eisenpflüge wurden gekauft, statt der schweren Doppeljoche begann sich zur Bespannung der Ochsen das Einzeljoch (Jöchlein) durchzusetzen, das den Zugtieren mehr Bewegungsfreiheit gab. 22
Die Hausierer verkauften in den Städten der Monarchie vorerst noch Südfrüchte, später wendeten sie sich einer Art Glücksspiel zu, bei dem die Kunden mittels Nummern aus einem Beutel den Gewinn zogen. Der Gewinn bestand nun wohl noch aus Feigen, Bockshörndeln, Datteln, meistens aber aus schönen kleinen Schachteln mit Zuckerln. Mancher Hausierer brachte es zu bescheidenem Wohlstand und liess sich in einer der Städte der Donaumonarchie als Kaufmann nieder. Die Gottscheer verkauften also – im Gegensatz zu den Reifnitzer Hausierern – nicht mehr selbsterzeugte Holzwaren.
Für die Erforschung der Gottscheer Geschichte und Kultur ist das 19. Jahrhundert von großer Bedeutung. Nachdem Besalzar Hacquet um 1800 im Rahmen seiner Veröffentlichungen über Krain auch die Gottscheer berücksichtigt hatte, folgten ihm im Laufe der Zeit immer mehr Interessenten, wie der Reifnitzer Schlossherr Joseph von Rudesh, Peter von Radics, Vinzenz F. Klun, Stanko Vraz, und bald auch der erste Forscher von auswärts, Karl Julius Schröer aus Wien. Am Ende unserer Periode setzte die Sammlung und Erforschung der reichen Volksüberlieferung durch Gottscheer Lehrer und den ersten Wissenschaftler, den gebürtigen Lichtenbacher Hans Tschinkel ein. Mit ihm begann eine neue Periode der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Gottscheer Volkslied und der Gottscheer Mundart, die im 20. Jahrhundert schließlich reiche Früchte tragen sollte. 23
Anreger dieser wegweisenden Arbeit war Tschinkels Lehrer an der Universität in Prag, Adolf Hauffen, ein gebürtiger Laibacher, der eine erste, alle kulturellen Bereiche berücksichtigende Landes- und Volkskunde von Gottschee geschrieben hatte. 24
Mit Hans Tschinkel aber gingen die wichtigsten volkskundlichen Forschungen in die Hände der Gottscheer über, die nun selbst wichtige Beiträge zur Erforschung der Sprachinsel leisten sollten.