Der Gottscheer Wald

Unter unvorstellbar harten Lebensbedingungen mussten die ersten Generationen der Bergbauern aus Osttirol und Oberkärnten, die von den Ortenburger Grafen zur Urbarmachung des Urwaldes in Krain angestellt worden waren, ihr Dasein fristen; die schweren Rodungsgeräte in der Gottschee-Schau des Bezirksheimatmuseums in Spittal an der Drau künden nur unvollkommen davon. Und trotzdem war dieser Wald ihre Heimat, er gab ihnen Behausung, Wärme, auch Nahrung, er bot vor allem Schutz. Die Waldordnung des Grafen Friedrich von Ortenburg (Wer sein Land, d. h. natürlich auch Wald, ungehindert neun Jahre und einen Tag genossen, bewirtschaftet, hat, ist dessen Eigentümer) gab unseren Vorfahren schon 1406 eine Besitzlegitimation, trotzdem hatten sie aber der Herrschaft Naturalien zu geben und Dienste zu leisten.

Die höchsten Abgaben entfielen auf die Göttenitzer: 99 Schilling, zweieinhalb Hühner (oder je Huhn zwei Schilling), 7 Eier, 20 Bündel Flachs, 2 Scheffel Weizen, 3 Scheffel Hafer, 2 Scheffel Hirse. Die Orte um den Hornwald, so z. B. Reichenau, Altfriesach, Kummerdorf, Lichtenbach, Nesseltal, Büchel, Unterbuchberg usw., hatten je Hube 25 Schindeln zu liefern, die Mösler das Schloß Friedrichstein und die Ämter in der Stadt mit Schindeln zu versorgen, die Bewohner von Mrauen waren verpflichtet, die Dachdeckerarbeiten bei obgenannten Objekten zu übernehmen. Kletsch wiederum hatte vier bis fünf Wagen mit Holzreifen für die Fässer der Herrschaft zu stellen.

1614 wurde die erste Schutzwaldbestimmung erlassen, wohl auch unter dem Eindruck der Türkengefahr. Der Pfarrer von Mösel hatte diese Bestimmung jeden Monat einmal von der Kanzel zu verlesen. Die Wälder, in denen kein Holz geschlagen werden durfte, befanden sich bei Preriegel, Graflinden, Unterdeutschau, Lichtenbach, Kummerdorf, Büchel, Reichenau, Neufriesach, Tiefenreuter, Hohenegg, Zwischlern und Schalkendorf.

Die Servitute berechtigten die Bauern, ihren Bedarf an Holz für die Heimindustrie aus den Wäldern zu decken. Nach Podlipnig kamen jährlich in den Handel: aus Buchenholz 4000 Schaufeln, 400 Salatlöffel, 5000 Mulden (Mautərlain), 1500 Wiegen, 300 Bilchfallen, einige hundert Rübenhobel usw., aus Birnenholz Tabakpfeifen, aus Fichten- und Tannenholz 30.000 Schaffe, 2000 Brenten, 1100 Wasserschöpfer, Schmalz-, Wasserkübel und Butterfäßchen, 1000 Putscherlain, aus Kornelkirsche, Weiß- und Schwarzdorn mehrere Schirm- und andere Stöcke, aus Kornelbaum und Buche 5000 Hammerstiele, Mühl- und Sägespindeln, aus Ahorn, Eiche, Kirsche, Nußbaum Tausende Teller, Leuchten, Schreibzeug, Kleiderhänger, Rahmen, Körbe, Spielzeug usw.

Das war dann zwar erst 1885, aber schon Valvasor erwähnt Orte mit viel Heimarbeiten aus Holz, so z. B. Altenkirchen (das spätere Mitterdorf), Loschin, Hasenfeld, Mooswald, Zwischlern, Hohenegg, Rieg, Hinterberg, Mösel, Tschermoschnitz und Langenton. Die Ware wurde mit Tragtieren (Pferden) transportiert und meist in Südosteuropa angeboten. Auf dem Rückwege brachten die Gottscheer Wanderhändler aus Triest und Fiume dann Südfrüchte mit. Im vorindustriellen Zeitalter hat man vor allem die Buche verwendet; dies war von entscheidender Bedeutung für die spätere Entwicklung des Gottscheer Waldes. Im Jahre 1809 wurde eine Ausbeute von 204 Zentnern Bottichasche (Pottasche) erzielt, die Einnahmen betrugen das Zehnfache aller anderen Einnahmen aus dem Wald, die Jagd mit eingerechnet! Die Glasbläsereien, z. B. jene von Karlshütten, waren Abnehmer.

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Weit und breit bedeckt der Wald das Land.
Dazwischen tauchen immer wieder Rodungsinseln auf.

In seinem Ansuchen an die Behörde, ihm die Errichtung einer Eisengießerei in Hof zu gestatten, führt Fürst Wilhelm von Auersperg an, daß er 1793 in seinen Waldungen 2,573.444 Fuß Hartholz (Buche, Eiche) und nur 810.555 Fuß Weichholz (Fichte, Tanne) halte; der Jahreszuwachs betrage bei Hartholz 23.628 Fuß und bei Weichholz 7370 Fuß. 1795 wurde dem Bewerber die Konzession erteilt, damit setzte die Köhlerei in großem Umfang ein. Eine Eisengießerei entstand auch in Tschaber, die Hammerschmiede in Schwarzenbach (bei Shmidleisch) lieferte bis in die dreißiger Jahre Werkzeug nach Suchen.

Die Glaserei, die 1835 in Karlshütten, Gemeinde Suchen, zu arbeiten begann und bis 1855 in Betrieb war, hat jährlich 8000 Raummeter Buchenholz verbraucht, die 1847 in Kotschen errichtete Glaserei sollte die Friedrichsteiner Waldungen durch Köhlerei nutzen.

Fürst Karl Auersperg, der die Güter 1890 übernahm, errichtete sechs große Dampfsägen (Karlshütten, Hirisgruben, Hornwald, Gottschee, Bärenheim und Gras); es arbeiteten weitere kleine Sägen in Privatbesitz teils mit Dampf-, teils mit Wasserbetrieb (so z. B. am Wildbach).

Nach Ing. Schadinger betrug die Waldnutzung (m3 = Festmeter):

Jahr
m3
Jahr
m3
1892
41.070
1895
82.209
1893
41.383
1896
96.836
1894
48.342
1897
95.795

Im Jahre 1912 wurden insgesamt 56.500 Raummeter verkohlt. Die Kohle wurde teils in der heimischen Industrie verbraucht; die Hälfte des aus Krain nach Italien gehenden Kohleexports stammte aber aus Gottscheer Wäldern!

Mit kaiserlichem Patent vom 5. Juli 1853 wurden die Besitzverhältnisse neu geregelt, aber erst 1888 waren die neuen Grenzen endgültig fixiert. Bis dahin war der Großgrundbesitz durch „Waldgerechtigkeit“ folgendermaßen belastet:

2812 Personen mußten mit Bau- und Brennholz versorgt werden, was zu veranschlagen ist mit
453.962 fl
1948 Personen hatten Weiderecht
38432 fl
786 Grundeigentümer Streurecht
16477 fl
Die
Gesamtbelastung betrug also
508.871 fl

Dafür wurden nunmehr an die Berechtigten abgegeben: 4507,50 ha Wald weiters 5,71 ha Acker und 3203,66 ha Weide, insgesamt also 7716,87 ha; also verringerte sich der Auerspergische Waldbesitz dadurch von 26.280 ha auf 18.200 ha.

Der Waldkataster aus 1927 gibt für den Bezirk Gottschee 55.000 ha Wald an. Er verteilte sich annähernd so:

Besitzer
Hoffläche / ha
hatten / ha
5203
bis 5
4.560
2015
6 – 10
16.120
77
11 – 50
1.840
14
41 – 100
974
13
101 – 300
2071

den Rest, nicht ganz 30.000 ha, entfiel auf den Großgrundbesitz. Die sogenannte „Agrarreform“ hat 1931 den gesamten Großgrundbesitz in Jugoslawien erfaßt; der Familie Auersperg verblieben die Reviere Ainödt und Suchen mit zusammen etwa 3500 ha. Am liebsten hielten sich die Mitglieder der Familie im abgelegenen „Bärenheim“ zwischen Suchen und Morobitz auf, mitten im Gottscheer Urwald.

Die Auersperger haben dem Wald immer große Beachtung geschenkt, immer hervorragende Forstbeamte beschäftigt, so z. B. den bekannten Forstdirektor Hufnagel. Heute leben noch, soweit es mir, der ich damals Forstpraktikant im Revier Merleinsraut war, bekannt ist, die Herren Dipl.-Ing. Samide, Dipl.-Ing. Schadinger und Dipl.-Ing. Skoupil. Diese Forstverwaltung hat entscheidend dazu beigetragen, daß der für Europa einmalige Urwald, im Plenterbetrieb genutzt, der Nachwelt hinterlassen werden konnte. Die Plenterwirtschaft wurde den Auerspergen auch von den benachbarten Revieren der Thurn und Taxis und der Windischgrätz (um den Schneeberg) „abgeschaut“; heute sind dies die größten und leistungsfähigsten Forstbetriebe von Jugoslawien.

Die Ökologie wird maßgebend von der Tierwelt bestimmt. Die Großraubtiere kontrollierten die Vermehrung des Schalenwildes, so konnten die Pflanzenfresser dem Walde nie schädlich werden, und vor allem die Tanne konnte an Boden gewinnen.

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Des Hoteliers A. Miklitsch letzter Braunbär.

Äußerst aufschlußreich ist die folgende Abschußliste der Forstverwaltung von Gottschee aus dem Zeitraum 1768 – 1927:

Zeitraum Hirsch Reh Hase Bär Wolf Fuchs Wildkatze
1768-1778 31 6 25 82 106 5
1794-1808 22 11 211 27 79 191 30
1839-1852 100 97 888 3 1 196
1853-1857 22 272 5 63 1
1858-1862 132 505 3 2
1863-1867 310 172 45
1868-1872 234 18 2 10
1873-1877 147 79 3 8 1
1878-1882 171 98 8 1 27 4
1883-1887 282 213 6 52 1
1888-1892 226 187 119 9
1893-1897 483 217 128 1
1898-1902 1044 330 2 1 130 22
1903-1907 1327 299 1 208 53
1908-1912 1005 349 2 169 34
1913-1917 1130 166 86 24
1918-1922 804 76 4 12 75 21
1923-1927 1 275 165 1 18 83 21

Zur Jagd gehörte auch der Bilchfang; viele Gottscheer gingen ihm, nicht zuletzt wegen des etwas geheimnisvollen Zaubers, den er ausstrahlte, nach. Unvergessen bleiben die sternklaren Herbstnächte am Lagerfeuer, die possierlichen Tierchen huschten geschäftig durchs Geäst, und wenn die Fallen zuschnappten, war dies des Siebenschläfers Tod, aber des Jägers Freude. Das Fleisch schmeckte vorzüglich, und auch den Balg konnte man gut verkaufen.

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Aus den verstaatlichten Wäldern transportieren
Bosnier das Holz mit den Maultieren.

Wir wissen aus der Geschichte, daß der Wald die ersten Ansiedler aufgenommen hat, diese blieben ihm durch 600 Jahre verbunden. Er war die Grundlage ihrer Existenz, sie nutzten immer nur den Baum, der seine Lebenserwartung erreicht hatte. Da auch das ökologische Gleichgewicht nie gestört wurde, blieb die Lebensgemeinschaft „Wald“ erhalten. Welch ungeheurer Gegensatz dazu im dalmatinischen Raum, wo die Venezianer den Wald im Kahlschlagbetrieb nutzten und ihn infolge des Klimas, des Bodens und anderer sekundär auftretender Erscheinungen nicht mehr zum Leben bringen konnten. Wie anders ging da die Forstverwaltung Auersperg vor, wie anders deren Angestellte, die ja den Naturwald auf seine Nutzungsform hin studiert hatten.

Wenn heute die Erben unseres Gottscheer Waldes stolz auf diesen hinweisen, dann weisen sie nicht auf ihre Leistung hin, denn einen solchen Wald kann man nicht in 30 Jahren aufbauen, dazu reicht die Kraft einer Menschengeneration nicht! Es waren dies unsere Gottscheer, deren Vorfahren und Ahnen, die mit dem Wald lebten und ihn hegten.

Unsere Dörfer sind tot, zerstört, unser Wald aber lebt, so wie dessen Tiere. Mögen jene, die uns beerbt haben, viel Freude an diesem Gottscheer Wald haben, mögen sie aber auch jener gedenken, denen sie diesen Reichtum verdanken – der Gottscheer Waldbauern!

Richard Lipowitz

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Förster
Vorsitzender der Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland 1971-1976
Gründer der Gottscheer Stube in Wildbad-Aichelberg

* 29. 3. 1913 Suchen   –   † ?. ?. ?  ?

Quellenangaben:

Richard Lipowitz,
650 Jahre Gottschee, Festbuch 1980, S 102 – 107,
Eigenverlag der Gottscheer Landsmannschaft Klagenfurt,
Klagenfurt 1980