aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale

Als Geistlicher in jenen Tagen ...

von Pfarrer Josef Jaklitsch,
Graz,
Graz

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Mein Urgroßvater kam aus dem Gottscheer Ländchen zum Medizinstudium an die Universität Graz, er wurde hier im Landeskrankenhaus angestellt und war 1798, zur Zeit der Geburt meines Großvaters, Primarius; 1805 verliert sich seine Spur, weder in den Sterbematrikeln noch in den Polizeiregistern ist ein Vermerk zu finden. Es ist auch möglich, daß er nach Gottschee zurück ist, es waren ja Verwandte unten. Mein Großvater war Militärarzt, er ist 1845 vom Pferde gestürzt und hat den Militärdienst aufgegeben. Als Pensionist hat er dann (beim Arzt in Heiligenkreuz am Waasen als Vertreter wirkend) eine um 20 Jahre jüngere Bauerntochter geheiratet. Seine Verwandten, die Tanten vor allem, waren ungehalten, daß er nun als Landarzt in einem Bauerndorf, außerhalb von St. Georgen an der Stiefing, in Pesendorf lebt, sie haben gedroht, ihn zu enterben. Er ist 1882 gestorben, der Sterbefall ist matrikuliert in St. Georgen a. d. Stiefing; geboren wurde er 1798 im Landeskrankenhaus in Graz. Er soll ein guter Arzt gewesen sein.

Mein Vater hat Buchbinder gelernt, ich glaube, hier in Graz. Er hat sehr gute Beziehungen zum Landesgericht gehabt. 1885 hat er in Frannach – das liegt zwischen St. Georgen a. d. Stiefing und Kirchbach, eine Bauerntochter geheiratet. Eigentlich hat es mit einer „Rechtshilfe“ angefangen: die Eltern waren gestorben und ihre Geschwister haben sie aus der Erbschaft hinausdrängen wol­len, da hat ihr mein Vater geholfen. Meine Eltern haben vier Kinder gehabt, das jüngste bin ich. Ich hab in Graz studiert, auch Medizin; aber mein Vater ist 14 Tage vor meiner Matura verstor­ben, meine Mutter war sehr religiös, so wurde ich unsicher und durch einen sonderbaren Zufall – darüber will ich nicht sprechen – bin ich zur Theologie gekommen, hab es aber nie bereut.

Zuerst war ich 1925 sechs Wochen als Vertretung für einen erkrankten Priester in Gleisdorf, dann bis 1927 in Gleinstätten und zehn Jahre in Knittelfeld; von 1937 – 1940 in Leoben-Waasen. In diesem Jahr, 1940 also, bin ich nach Graz gekommen, wurde im Juli 1940 zur Musterung vorgeladen und bin 1942 zur Wehrmacht eingezogen worden. Ich habe mich zum Zivildienst mel­den können und war dann auf den Pfarren an der Sotla (Sattelbach) gewesen, in St. Hemma, Windisch Landsberg (Podcetrtek), wo die Grafen Attems waren, Olimje, Peilenstein und Sibica. Nach Kriegsschluß wollten mich die Leute unten behalten, die Partisanen auch, sie haben mich nach dem Gottesdienst gleich mitnehmen wollen, aber ich konnte ja nicht, ich habe doch eine deutsche Mutter. 1945 hat mich die SS zum Tode verurteilt, es war eine unerklärliche Sache, da bin ich zu den Partisanen gegangen. Ich war nach Kriegsende noch unten, am 13. Juli 1945 bin ich unten weggefahren und die Partisanen haben mich mit dem Auto bis Spielfeld gebracht.

Ich bin dann in Graz gewesen, wo ich eine Wohnung gehabt habe, in St. Leonhard, hab mich beim Bischof vorgestellt und der hat mich nach Loeben-Waasen geschickt mit dem Auftrag, in Donawitz eine Kirche zu bauen, ebenso den Pfarrhof. So habe ich 1946 die Pfarre Donawitz gegründet, ich war sozusagen Werksangestellter der Alpine, von 1946-1959 habe ich eine „Dienstwohnung“ von der Firma gehabt, auch sind mir die Verantwortlichen sehr an die Hand gegangen. 1949 war die Grundsteinlegung, am 17. Oktober 1954 wurde die Kirche ge­weiht, 1959 der Pfarrhof fertiggestellt. Aber nebenbei mußte auch der Aufbau der lebenden Pfarrgemeinde erfolgen, das war damals, in der Nachkriegszeit, mit Problemen verbunden: ein Mesner, ehemals höherer Funktionär der SA, der in die Kirche zurückgekehrt war; ein Hauptschuldirektor, ehemals höherer Offizier, minderbelastet, der mir die Kanzlei geführt hat; eine Frau hat sich angetragen, Orgel zu spielen, es wurde dann ein Harmonium draus, sie war aus Oppeln, hat auch gleich ihren Mann, er stammt aus Danzig, angemeldet, er könnte Katechet sein, war aber noch in Kriegsgefangenschaft. Also, ein Team, angeschlagen, aber es hat funktioniert, dazu zwei Kapläne und ein Religionslehrer. Wir haben das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen. Ich bin dann in Donawitz geblieben; am 1. Jänner 1977 habe ich die Pfarre auf Wunsch des Bischofs zurückgelegt. Vom 1. Feber 1977 bis 1. Mai 1980 war ich in Ligist (Weststeiermark), habe dort eine Pensionistenwohnung gehabt, aber keine entsprechende Betreuung, weil meine Wirtschafterin – sie ist 30 Jahre bei mir gewesen – nicht nach Ligist hat wollen. Ich hab dann den Dienst dort aufgegeben und mich hier im Priesterheim um eine Wohnung bemüht. Hier gefällt es mir gut.

Ja, damals im Zivildienst als Geistlicher in Jugoslawien (es war dies ein Teil der Untersteiermark, die nach der Kapitulation Jugoslawiens im April 1941 dem Deutschen Reich angeschlossen worden war; Anmkg. d. Bearbeiters) da hab ich im Beichtstuhl, aber auch in den Bibelstunden nur slowenisch gesprochen, weil ich die Not der Bevölkerung gesehen habe. Der Auftrag war ungeschickt und ich habe immer wieder Umstände gehabt mit den Einsatzdienststellen; die militärische Besatzung war viel ver­nünftiger als diese Zivilregierung. Einmal bin ich vor dem Erschießungskommando gestanden, ich und ein dortiger Lehrer, er war aus Triest, wurden beschuldigt, die dortige Bevölkerung zur Feindschaft gegen die Deutschen aufzuhetzen. Eigentlicher Anlaß war eine etwas unbedachte Äußerung von mir, so etwa: „’s schaut dumm aus, ’s geht ja alles durcheinander!“ Da war gera­de ein Partisanenüberfall und unter den deutschen Soldaten ein tödlich Verwundeter. Menschen wie ich und dieser Lehrer seien schuld daran, daß das Volk hier so unruhig sei; also erschießen! Eine Gruppe von ca. 20 SS-Soldaten hat uns beide, den Lehrer und mich, hinausgeführt. Mir kommt der Gedanke: Die haben eh keine Munition, sonst hätten sie die Partisanen weiter verfolgt! Und springe weg, hinunter ins Gestrüpp, weg; es ist auch kein Schuß gefallen. Später habe ich dann den Lehrer gefunden, erschossen, und einen Dorfbewohner mit ihm, den sie, von der Haustür weg mitgenommen und für mich erschossen haben …

Mit den Gottscheern bin ich beim Gottesdienst in Berührung gekommen, nach Windisch Landsberg sind sie mit den Fuhrwerken gekommen; das hat mir wohlgetan, man hat deutsch spre­chen können.

Ich war Einsatzpfarrer, hab keine Wohnung gehabt, ein Ruck­sackpfarrer, immer unterwegs. In St. Hemma waren zwei Kompanien, für diese war ich Militärpfarrer, in Windisch Landsberg waren sie im Pfarrhof drinnen, da hab ich gar nicht hinein dür­fen. Die Beanspruchung durch die Soldaten war nicht so groß, gerade Weihnachten und so gewisse Sachen. Hab auch Sonderaufgaben zu tun gehabt, wie einen, der auf der Wache durchge­dreht hat, zur Kommandantur zu führen. Ja, die Soldaten haben mich überallhin mitgenommen; der Oberleutnant, ein Bayer, hat einfach gesagt: „Geh, kumm mit!“ Da bin ich halt nachmarschiert …

Quellenangaben:

1330 – 1941  Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel
Heft 4 und 5

Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland

Weilheim 1994