aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale
Es war eine Tragödie
von Franz Wittreich,
Klindorf Nr. 18,
Leoben
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Ich bin am 23. Dezember 1896 als 3. Kind des Bauern Josef Wittreich in Klindorf Nr. 18 geboren. Meine Mutter war eine geborene König von Koflern, Hausname Mattaisch. Wir hatten eine Dreiviertel-Hube, etwa 20 ha groß: Äcker, Wiesen, Wald und Hutweide. Wir waren drei Buben und ein Mädchen. Das war als Nachwuchs natürlich ziemlich viel für diesen Besitz. Es war daher vorgesehen, daß nur einer den Betrieb übernimmt. Die ganzen Pläne sind dann durch den Krieg durcheinander gekommen. Der Älteste, der übernehmen hätte sollen, hat einrücken müssen, ich bin in die Schule gegangen, anschließend ins Gymnasium und habe dann studiert. 1914 mußte der Älteste, Johann, einrücken, kam gleich an die russische Front und ist schon 1915 gefallen. Nein erst gefangen und als Kriegsgefangener dann gestorben. Ich bin aus der Schule heraus 1915 eingerückt. Da war ich 19 Jahre alt. Als Einjährig-Freiwilliger zum Infanterieregiment eingerückt und dort dann als Telefonist ausgebildet. Die Telefonschule in Store bei Cilli hat etwas länger gedauert, deshalb bin ich erst im Dezember 1915 an die italienische Front gekommen. Mein erster Einsatz Monte San Michele bei Görz. Und von dort später nach Südtirol, Mai Offensive 1916, bis zum Zusammenbruch in Südtirol. Während eines Studienurlaubs hab ich die Matura gemacht. Da ich schon ein Jahr Frontdienst hatte, bin ich zum Fähnrich und Leutnant befördert worden. Als ich nach dem Kriege nach Hause kam, lag der jüngere Bruder schwer erkrankt an der Kriegsgrippe, an der Spanischen Grippe und ist nach 8 Tagen gestorben. Da war ich allein. Ich hab ein Jahr beim Vater zu Hause in der Landwirtschaft geholfen und da ich sah, daß für mich, der ich der slowenischen Sprache nicht mächtig war, in Gottschee kein Fortkommen ist, habe ich für Osterreich optiert. Ich erreichte die Aufnahme bei der Südbahn als Beamtenaspirant. Das war 1919. Nach einigen Kursen und Lehrgängen wurde ich in verschiedenen Positionen bei der Südbahn eingesetzt. Immer etwas aufsteigend, von einem Posten zum anderen. Als der Krieg mit Jugoslawien war, bin ich 1942 nach Cilli, Untersteiermark als Bahnhofsvorstandstellvertreter und habe dort Vertretungsdienste auch auf anderen Bahnhöfen gemacht, unter anderen auch in Steinbrück. In dieser Zeit war schon die Umsiedlung im Gange. Ich bin beauftragt worden, die bahntechnische Überwachung der Aussiedlung der Slowenen und der Ansiedlung der Gottscheer während der Zeit zu übernehmen. Das hat etwa ein halbes Jahr gedauert.
Als ich in Steinbrück meinen Dienst tat, kam eines Abends mein Bekannter Gustav Verderber zu mir, ganz atemlos, und sagte: „Du, Wittreich, ich muß dringend nach Gottschee, ich muß noch einen Umsiedlerzug von Gottschee nach Rann begleiten.“ Ja, wie kommt er von da jetzt weiter? Auf der Bahn war kein Zug mehr um diese Zeit. Züge verkehrten nur bei Tag. Auch kein Güterzug. Als einzige Möglichkeit sah ich, mit einer Draisine weiterzukommen und zwar mit einer Handbetriebenen, die wir bei der Bahnmeisterei eingestellt hatten. Ich habe zwei Leute ersucht, daß sie uns den Handbetrieb leisteten. Und habe ihn noch bis an die Grenze bei Laas begleitet, wo dann die italienische Strecke angefangen hat. Und er war froh, daß er weitergekommen ist und hat dann in der nächsten Station tatsächlich noch einen Anschlußzug nach Laibach erreicht und ist dann mit einem Zug, Leerzug, Umsiedlerzug nach Gottschee gefahren. Ich bin mit der Draisine von Laas zurück nach Steinbrück gefahren und die Sache war in Ordnung und erledigt. Am nächsten Tag in der Früh, wie ich herunterkomm, kommt mir gleich der Fahrdienstleiter aufgeregt entgegen: „Herr Vorstand, der Herr, den sie gestern da begleitet haben, ist schwer verunglückt, in Mitterdorf bei Gottschee“. Ich hab mich weiter erkundigt, was geschehen ist und hab erfahren, daß er in Mittendorf zwischen Rampe und Waggon eingeklemmt worden ist und so schwer verletzt wurde, daß er am nächsten Tag daran verstarb. Es hat mir sehr leid getan, aber einer Schuld war ich mir nicht bewußt, daß ich meinen lieben Gustav zu seiner letzten Fahrt behilflich war.
Von der Reichsbahn, von der vorgesetzten Dienststelle in Cilli, habe ich den Auftrag bekommen, die Züge der Umsiedlung zu überwachen. Zunächst die Umsiedlung der Slowenen von Rann nach Deutschland, da sind ziemlich viel Züge laufend hinausgegangen. Es war eine Tragödie, zuerst haben sie alle Slowenen auf Listen aufgenommen, die dort gewohnt haben, auch die Eisenbahner wollten sie aussiedeln. Die sind zu mir gekommen, die Vorstände von der Strecke Steinbrück bis Dobowa und haben mich gebeten, daß ich etwas unternehmen soll, weil die Vorsteher den Dienst nicht versehen könnten, wenn alle Mitangestellten abgezogen werden, die auf diesen Bahnhöfen im Dienst waren. Die Schrankenwärter, auch die Bahnhofbediensteten und überhaupt wichtige Personalausfälle hätten wir gehabt durch diese Aussiedlung.
Ich bin dann zum obersten Kommando der Aussiedlung, das hat oben im Schloß Reichenburg residiert. Zu diesem Komandanten bin ich und hab mit ihm gesprochen. Ich habe gesagt, wir haben Schwierigkeiten, die Reichsbahn, mit der Abwicklung des Dienstes, wir können den Zugverkehr nicht durchführen, wenn uns dieses Personal entzogen wird. Das hat der Mann eingesehen und gesagt, ich soll eine Liste aufstellen, auf der alle Leute, die unentbehrlich sind, namentlich aufgeführt werden. In diese Liste hab ich natürlich das gesamte Personal aufgenommen, das dort zwischen Steinbrück und Dobowa im Dienst war. Und akkurat haben die sofort am nächsten Tag den Befehl herausgegeben, daß von den Bahnbediensteten niemand abgezogen werden darf. Helle Freude natürlich und die Leute waren mir sehr dankbar, daß ich das erreicht habe. Meine Aufgabe war es hauptsächlich, dafür zu sorgen, daß der Zugsverkehr planmäßig geführt wird, daß die Wagen rechtzeitig beigestellt werden, die leeren abgezogen und die beladenen rechtzeitig zur Ausladung bereitgestellt werden und daß diesbezüglich keine Schwierigkeiten auftreten.
Durften die Slowenen viel an Gepäck mitnehmen?
Ja, sie haben ziemlich was mitnehmen können, zwei – drei Güterwagen waren dafür bei jedem Zug dabei. Geräte nicht, nur persönliche Bedarfsgegenstände. Natürlich waren große Schwierigkeiten und ein Jammern, daß sie da weg haben müssen. Die Heimat verlassen. Und dann die Ansiedlung der Gottscheer. Ich bin auch ein-, zweimal nach Gottschee gefahren und hab dort mit den Bahnbediensteten Fühlung aufgenommen, wie alles abgewickelt werden soll. Die haben natürlich alles mitnehmen können, den ganzen Hausrat. Haben genügend Wägen beigestellt bekommen. Aber es hat dort auch Schwierigkeiten gegeben, weil die Leute auch nicht alle einverstanden waren. Ich war ja auch direkt beteiligt, meine Mutter war damals allein auf dem Haus und ich hab meine Sachen umsiedeln müssen, habe sie nach Dobowa verladen. So ist das vor sich gegangen.
Als der unselige Krieg zu Ende ging, konnte ich noch meine Wohnungseinrichtung von Cilli nach Rottenmann schicken, aber dort habe ich alles an die Russen verloren, so daß ich mit meiner Frau auch ohne alles dastand. Die materiellen Verluste jedoch waren nicht so wichtig, obgleich wir zur Linderung der Not unserer Landsleute alles bitter nötig gebraucht hätten.
Quellenangaben:
1330 – 1941 Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel
Heft 4 und 5
Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland
Weilheim 1994