Das Schicksal der Gottscheer von 1918 bis heute
Der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie im Jahre 1918 brachte den Anfang vom späteren Ende von Gottschee.
Über 600 Jahre fühlten sich die Gottscheer in ihrem Ländchen daheim, waren nach den Rodungen des Urwaldes und der anfangs großen Entbehrungen zufrieden, lebten mit den Nachbarn in Eintracht. In der mehr als 6OOjährigen Geschichte, mit Ausnahme nach dem Ende der Monarchie, weiß man von keinem einzigen Zwist zwischen den deutschsprachigen Gottscheern und den benachbarten Slowenen in Osten, Norden und Westen sowie den Kroaten im Süden. Der Warenaustausch mit ihnen war gut und der Kontakt freundlich. Einige Randgebiete mit ausgedehnten Wäldern wirkten als natürliche Grenze, dennoch gab es an den Durchzugsstraßen Ortschaften, die unmittelbar an slowenische Gemeinden grenzten.
Die Verwaltungsreform im Jahre 1933 in Slowenien brachte aber für einige dieser Grenzgebiete besondere Härten, Kleingemeinden wurden aufgelöst und an slowenische Großgemeinden angeschlossen, z. B. Masern.
Die Gottscheer waren in ihrer gesamten inneren Einstellung Verehrer des Hauses Habsburg. So war es auch verständlich, dass dieses Haus Habsburg zur Zeit des internationalen Erwachens der Völker innerhalb der Monarchie durch Kaiser Leopold II. 1792 Gottschee zum Herzogtum erhob. Karl Joseph Anton Fürst von Auersperg wurde erster Herzog von Gottschee. Die Herzogwürde war erblich. Mit der Erhebung zum Herzogtum wurde das Gottscheer Land aus dem Herzogtum Krain ausgeklammert und konnte somit auch in den nachfolgenden Jahren seine Eigenheiten bewahren. So war es auch verständlich, dass sich die Gottscheer beim Zusammenbruch der Monarchie benachteiligt fühlten und sogar einen Freistaat gründen wollten, um so die Selbständigkeit und Besonderheit ihrer Lage herauszustellen. Das Recht auf Selbstbestimmung wurde aber den Gottscheern von den Siegermächten nicht zuerkannt.
Eine Reihe von Rechten wurde den Gottscheern aberkannt, so auch bei der Stadtgemeindewahl 1921 in der Stadt Gottschee den deutschen Bürgern das Wahlrecht. Sofort nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde den Gottscheern das deutsche Vollgymnasium entzogen, es wurde daraus ein slowenisches. Deutschunterricht gab es ab der 3. Klasse als Fremdsprache. Die deutschen Professoren wurden entlassen und in österreichischen Schulen in den Dienst gestellt. Die Holzfachschule wurde aufgelöst, viele Kultureinrichtungen entweder geschlossen oder enteignet und die deutsche Beamtenschaft großteils aus ihren Ämtern entlassen. Mit den Beamten verließen auch viele Pflichtschullehrer das Land. So waren nach 1918 über dreißig Gottscheer Lehrer allein in Kärnten tätig. Nur wenige Lehrer verblieben im Lande, dabei hatten sie es schwer, sich den neuen Umständen anzupassen. Zahlreiche deutsche Schulklassen wurden aufgelöst. Kinder mit slowenischen Namen, oft auch dann, wenn nur ein Großelternteil einen slowenischen Namen trug, wurden zum Deutschunterricht nicht zugelassen.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Agrarstaat Jugoslawien waren recht ungünstig. Da auch im Verwaltungs- und Staatsdienst kaum eine Anstellung zu erwarten war, zogen es viele vor auszuwandern, sehr viele gingen nach Amerika.
Ein schwerer Schlag wurde den Gottscheern durch die Enteignung des größten Teiles der Auerspergschen Waldungen zugefügt (von 229,65 km2 wurden 176,65 km2 enteignet). Nach der Übernahme der kommissarischen Verwaltung durch den Staat im Jahre 1934 wurden die meisten Arbeiter und Angestellten der Auerspergschen Verwaltung entlassen.
Die nationalen Gegensätze wurden immer größer. Die Verzweiflung, dem völkischen Untergang entgegensehen zu müssen und die Aussichtslosigkeit stärkten immer mehr die Hoffnung, von Deutschland Unterstützung und Hilfe zu erlangen.
Längst waren die Würfel aber anders gefallen. Der 2. Weltkrieg änderte die Sachlage entscheidend. Deutschland und Italien teilten Europa in ihre Einflusssphäre auf. Bei der Aufteilung Jugoslawiens fiel mit der Provinz Laibach auch Gottschee an Italien. Am 23. April 1941 marschierten italienische Truppen in Gottschee ein. Vergeblich waren die Versuche der Volksgruppenführung Hitler und den Reichsführer SS, Himmler, umzustimmen, das Gottscheer Land an das Deutsche Reich, dessen Grenze ja nur 35 km entfernt war, anzuschließen. Es passte in die NS-Planungen im Südosten des „Dritten Reiches“, dass die im italienischen Herrschaftsbereich gelegenen Bewohner der deutschen Sprachinsel Gottschee in das „Ranner Dreieck“ der damaligen Untersteiermark umgesiedelt wurden.
Die etwa 12.000 Gottscheer waren nur unter massiven Propagandaeinsatz und unter der Androhung einer Aussiedelung nach Sizilien oder gar Abessinien zu einer Umsiedlung zu bewegen, wo sie sich an der Südostgrenze des Deutschen Reiches zu bewähren hätten. (Himmler bei einer Vorsprache einer Gottscheer Delegation am 20. April 1941 in Bruck a. d. Mur). 380 Gottscheer verblieben in ihrer angestammten Heimat, 11.174 kamen in die Untersteiermark, 571 kamen als politisch unzuverlässig in das Altreich, 66 Optanten wurden abgelehnt. Der erste Gottscheer .Transport ging am 14. November 1941 in das „Ranner Dreieck“ ab. Anfang 1942 war die Umsiedlung abgeschlossen. Die Gottscheer erhielten für die 860 km2 in der Heimat 500 km2 neuen Bodens in der Untersteiermark.
Die Bedenken der Gottscheer, in ein fremdes Land zu kommen, unschuldigen Menschen Haus und Hof wegzunehmen, wurde mit Beruhigungspropaganda abgetan. Den über das Schicksal der ursprünglich ansässigen Slowenen besorgten Gottscheer wird versichert, dass für die ehemaligen Bewohner in angemessener Weise gesorgt sei. Später erst sollten Gottscheer manchmal über das wahre Schicksal der Ausgesiedelten erfahren, denn diese wurden hauptsächlich in Lagern untergebracht und nicht in dem ihnen versprochenen Siedlungsgebiet.
Im April des Jahres 1945 begann die letzte Etappe der Gottscheer Leidenszeit. Immer hatten sich die Gottscheer zu ihrem angestammten Volkstum bekannt. Nun mussten sie unschuldig teilhaben am Zusammenbruch dieses Volkes. Dass diese Teilhabe mit dem Untergang der Gottscheer als geschlossene Volksgruppe endete, mag zur größten Tragik menschlichen Lebens zählen.
Mit Riesenschritten näherte sich der zweite Weltkrieg seinem Ende. Dann geschah alles schnell und katastrophenartig: Bis zuletzt, bis zum April 1945 im Ranner Becken unter immer gefährlicheren Bedingungen, wie Partisanenüberfällen, Land bebauend und pflügend, kam endlich nach Drängen der Gottscheer Volksgruppenleitung die zu spät erteilte Genehmigung von Graz her zum Aufbruch nach Norden.
Es war der verspätete Ruf „Rette sich, wer kann!“? Am 8. Mai hieß es: Heute Mittag zieht alles los. Endlich! – Aber viel zu spät. Nur die notwendigste Habe konnte auf Pferdewagen verstaut werden. Save aufwärts gegen Lichtenwald versuchten sie den Anschluss an die Täler nach Norden zu finden. Aber ehe sie Lichtenwald erreichten waren sie von Partisanen umringt, die wie Pilze aus der Erde schossen. Aus Lichtenwald ging es unter Eskortierung durch vielfach bewaffnete Halbwüchsige in Richtung Steinbrück. Unterwegs sorgten wiederholte „Gepäckskontrollen“ dafür, dass die Gottscheer zuerst ihre Pferdewagen, dann ihre Bündel, schließlich ihre Handtaschen und bis sie ins Lager Sterntal bei Pettau oder Thesen bei Marburg eingeliefert wurden, auch noch ihr Geld, Schmuck, Fingerringe und Ausweispapiere los wurden. Kein Kind unter zwei Jahren hat im Lager Sterntal überlebt. Was sich an Gottscheern nach und nach aus den jugoslawischen Lagern nach Österreich kam, waren im wahrsten Sinn des Wortes Überlebende.
Mit leeren Händen, halb verhungert, in völliger Verzweiflung erreichten die Gottscheer als Flüchtlinge die österreichische Grenze. Nur über die Grenze zu kommen, war der Wunsch aller, doch was war dann? Ausweglos, von allen im Stich gelassen, so standen die aus ihrer über 600 Jahre angestammten Heimat Umgesiedelten und nun Vertriebenen da.
Österreich selbst war durch den Krieg und die Zerstörung, vor allem in den östlichen Bundesländern verarmt, und dennoch fanden die Flüchtlinge wieder eine menschliche Aufnahme, auch wenn es zum Großteil in Barackenlagern war. Viele Gottscheer fanden bald nach Kriegsende wieder eine Beschäftigung. Ein großer Teil wanderte 1950 bis 1953 nach den USA oder Kanada aus, einige auch nach Australien und Neuseeland.
Der verbliebene Rest half mit beim Wirtschaftsaufbau in Österreich und Deutschland.
Der Fleiß der Gottscheer wird überall anerkannt, so brachten sie es auch alle zu einem bescheidenen Wohlstand. Heute nach mehr als 57 Jahren sind die Gottscheer in ihrer neuen Heimat integriert, sie sind Amerikaner, Deutsche oder Österreicher.
Mit den letzten in der alten Heimat Geborenen stirbt die so schöne Gottscheer Mundart mit ihren mittelhochdeutschen Grundlagen aus. Nur in Büchern, Zeitschriften, Museen und Gedenkstätten wird man vom einst so zähen, tapferen und stolzen Volk zu berichten wissen.