aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale

Wir mußten unseren Kindern eine Zukunft schaffen

von Hedi Kmetic, geb. Lackner
geb. 1908 in Gottschee,
gest. 1993 in Australien

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Mein Name ist Hedi Kmetic, geb. Lackner, geb. 1908 in Gottschee. Meine Eltern waren Rosa und Hans Lackner. Mein Vater ist aus Mösel, meine Mutter ist Lienfelderin. Mein Vater hat als Beamter bei Dr. Karnitschnig in der Stadt gearbeitet. Ich besuch­te die Volksschule in Gottschee bis Ende des ersten Weltkrieges. 1921 kam ich nach Klagenfurt in die Bürgerschule. Ich wollte Kindergärtnerin werden, aber ich hatte keine Aussicht, eine Arbeit in Österreich und schon gar nicht in Jugoslawien zu bekommen. Da bin ich zurück nach Hause und wurde als Erzieherin bei Fam. Richard Loser in der Stadt Gottschee eingestellt. 1927 ging ich ebenfalls als Erzieherin nach Agram. Da gab es noch mehrere Gottscheer Mädchen in meinem Alter und da blieb ich etwa drei Jahre. Dann ging ich nach Belgrad, wo ich einen Posten beim französischen Attache annahm. Dort habe ich 1935 meinen Mann kennengelernt.

Herr Kmetic; Sie haben einen in Gottschee nicht vorkommenden Namen.

Mein Vater war Kroate, meine Mutter stammt aus Bullei bei Trier. Ich bin 1909 in Offenbach am Main geboren. Nach dem ersten Weltkrieg bekam mein Vater eine Stelle in Jugoslawien, er war ja österreichisch-ungarischer Staatsbürger, also 1918 automatisch Jugoslawe. Er bekam in Trzic/Neumarktl in der Schuhfabrik Pegro als Werkmeister Arbeit. Da es damals in Deutschland wirtschaftlich schlecht war, ist unsere Familie nach Trzic gezogen, wo ich dann die Bürgerschule weiter besuchte.

Trzic liegt direkt unterm Loiblpaß, etwa 15 km von der Grenze, und in diesem Grenzgebiet haben wir schon zu dieser Zeit den Haß gegen das Deutschtum gespürt. Vielleicht dort oben im Grenzgebiet noch stärker als in Gottschee, möchte ich fast annehmen. Nach meiner Militärzeit in Jugoslawien fand ich 1935 in Belgrad Arbeit, wo ich im Schwäbisch-Deutschen Kulturbund meine Frau kennenlernte. Es war der Platz, wo man eben hinging. Wir haben dann 1936 in Gottschee geheiratet. Wir sind wieder zurück nach Belgrad und blieben bis Ende 1938. Unsere älteste Tochter ist 1936 in Belgrad geboren. Dann sind wir wieder nach Trzic gezogen, meine Eltern wohnten noch da und ich bekam Anstellung in der Schuhfabrik. Aber es wurde da schlecht und schlechter. Man hat schon gespürt, der Krieg ist nahe und da bin ich, jetzt weiß ich nicht mehr genau, war es im August oder Ende Juli 1939, über die Grenze und habe mich hier in Klagenfurt niedergelassen. Die Familie habe ich am 3. September 1939 über den Loiblpaß nachgeholt. Genau zu Kriegsbeginn. Ja, genau zu Kriegsbeginn, am nächsten Tag kam die Kriegserklärung und die Grenze wurde gesperrt. Also gerade noch glücklich drübergekommen.

Hatten Sie hier einen Stützpunkt in Klagenfurt?

Nein, eigentlich nicht. Wir fanden eine kleine bescheidene Wohnung, wo dann unsere zweite Tochter geboren wurde. Ja, mein Bruder war schon etwas früher nach Klagenfurt gekommen, aber ein Stützpunkt konnte er damals für uns noch nicht sein. Wir sind dann 1941 automatisch hier eingebürgert worden und sind deut­sche Staatsbürger geworden. Gleich nach der Einbürgerung hat man mich einberufen zur Wehrmacht, damals beim Einmarsch in Jugoslawien.

Hatten Sie in der Zwischenzeit eine Arbeitsstelle?

Ja, ich arbeitete in der Schuhfabrik Neuner und eben von dort hat man mich 1941 praktisch über Nacht geholt, und als Dolmet­scher eingesetzt, weil ich kroatisch sehr gut und slowenisch gesprochen habe. So habe ich den Jugoslawien Feldzug mitgemacht, kam dann nach Frankreich, von Frankreich nach Rußland und von Rußland wieder zurück nach Deutschland. Da war ich aber nicht mehr als Dolmetscher eingesetzt, sondern einer Technischen Einheit zugeteilt. Später erfuhr ich, daß man wieder Dolmetscher sucht. Ich meldete mich und kam nach Graz. Dort lag unsere Dolmetscherkompanie, draußen in der Schönaukaserne. Als Dolmetscher bin ich hin und her geschickt worden, war län­gere Zeit in Berlin, wurde in die Slowakei abgestellt, wo man jedoch keinen slowenischen Dolmetscher gesucht hatte, sondern einen Slowaken. Also Irrtümer gab es überall. Ich kam wieder zurück nach Graz, und, nachdem die Einheit schon abgerückt war, hat man mich nach Rohitsch-Sauerbrunn (Rogaska Slatina) geschickt und dort habe ich das Kriegsende erlebt und bin von Rohitsch-Sauerbrunn bis Klagenfurt mit noch einem Kameraden zu Fuß heraufmarschiert. Da habe ich glücklich meine Familie wieder gefunden.

Wie ging es dann weiter in der Heimat in Klagenfurt? Frau Kmetic berichtet weiter:

Ja, wie war es denn bei uns in Klagenfurt? Ja, nach dem Zusammenbruch habe ich dann meine Familie gesucht. Meine Mutter war nicht da. Sie wurde 1941 von Lienfeld in die Untersteiermark umgesiedelt. Mein Vater starb schon 1941, kurz vor der Umsiedlung. Sie haben auch ihn sehr benachteiligt, weil er nicht slowe­nisch sprach und da hat man ihn vorzeitig pensioniert. Als mein Vater starb, bin ich noch über die Grenze gegangen zur Beerdigung nach Laibach, aber ich mußte sofort wieder zurück, habe nur einen Kurz-Grenzübertritt bekommen. Der südliche Teil Sloweniens einschließlich Laibach und das Gottscheerland waren damals schon italienisch.

Meine Mutter wurde gerade zu Silvester 1941 umgesiedelt, in die Südsteiermark. Sie kam erst nach Brezina, ich kann nicht erklären, wo das im Ansiedlungsgebiet war, denn ich war nur einmal dort zu Besuch. Weil meine Eltern in Lienfeld ein Spezereiwarengeschäft hatten, hat meine Mutter dann in Tüffern ein Haus mit Geschäftsräumen bekommen. In diesem Thermalbad Tüffern lebte dann meine Mutter mit meinen jüngeren Brüdern Bruno und Josef, sowie meiner Schwester. Sie war aber damals schon verheiratet und meine Schwägerin, die Frau meines älteren Bruders hatte dann ein kleines Kind von 6 Monaten.

Als der Krieg zu Ende war, habe ich mich bemüht herauszufin­den, wo meine Mutter und meine Geschwister geblieben sind. Ich habe es im Radio durchsagen lassen, habe es in die Zeitung gege­ben, aber es hat sich nichts getan. Dann aber kam eine Gottscheerin aus Grafenfeld, die mir berichten konnte, daß meine Mutter noch unten war, als sie alle weg sind. Wir haben lange nichts mehr gehört und dann endlich im Oktober 1945 sind sie angekommen. Da erst habe ich erfahren, daß sie im Flüchtlingslager Sterntal bei Pettau gewesen sind. Man hat ihnen alles weggenommen und von Sterntal sind sie dann in einem Viehwaggon nach Laibach geschickt worden, von dort ging es 2 Tage lang von einem Ort zum anderen, bis sie endlich in Klagenfurt gelandet sind. Da habe ich natürlich alle bei mir aufgenommen. Später ist auch noch mein Mann gekommen und da war die ganze Familie, was übriggeblieben war, in dieser kleinen Wohnung. Es war nicht leicht damals, nein, es war sehr schwer nach dem Weltkrieg. Bei uns ging es sehr beengt zu: 10 Personen in einer Zweizimmer­wohnung. Darunter 3 Kleinkinder, das jüngste 1 Jahr …

Die Kinder wurden größer, kamen in die Volksschule, wir zogen in die Kanaltalsiedlung, aber es ging nicht aufwärts. Es gelang uns nicht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Uns fehlte das Geld, sie zu erkaufen, wir hatten doch nichts mehr.

Im Jahre 1949 reifte der Entschluß auszuwandern. Erst dachten wir an Argentinien, dann nach Equador. Aber nach näheren Erkundigungen schieden diese Länder aus. Durch Zufall lernte mein Mann eine Laibacherin kennen, die bei der IRO arbeitete und die hatte Verbindungen und riet uns, nach Australien auszuwandern. Wir haben damals nichts über Australien gewußt, gar nichts. Die Erkundigungen waren auch nicht besonders ergiebig, aber wir sagten uns, wir müssen hier weg, wir müssen unseren Kindern eine Zukunft schaffen.

Außerdem ist in jener Zeit mein Mann immer wieder von jugoslawischen Behörden aufgefordert worden, sich auf dem jugosla­wischen Konsulat zu melden. Aber das kam gar nicht in Frage, ein Zurück nach Jugoslawien gab es für uns nicht. So haben wir uns 1949 für die Auswanderung nach Australien beworben. Schon im Juni hat man uns zur ärztlichen Untersuchung geladen und wir waren alle so ziemlich fit, wenn auch alle unterernährt, die Kinder und wir beide ebenfalls.

Es gab damals wirklich keine andere Möglichkeit für uns, als auszuwandern. Die österreichische Staatsbürgerschaft hätten wir be­stimmt nicht vor 5 Jahren bekommen und in Deutschland, die deutsche Staatsbürgerschaft hatten wir ja, hätten wir 4, 5 oder 6 Jahre im Lager bleiben müssen, wie man uns sagte. Es gab ja keine Wohnungen dort. Meine Schwägerin ist dann mit ihrem Kind zu meinem Bruder, zu ihrem Mann und sie waren dann auch einige Jahre im Lager. Unser Auswanderungsantrag aber lief inzwischen.

Im Juli 1949 war es so weit. In Italien kamen wir für 1 Woche in ein Lager, dann für 2 oder 3 Wochen in ein zweites. Am 11. August konnten wir ein Transportschiff besteigen und nach einer 28-tägigen Fahrt kamen wir am 7. September 1949 in Sidney, Australien, an. Noch in der Nacht ging es mit dem Zug nach Bedhouse in ein großes Auffanglager für die Immigranten aus Europa weiter. Da waren Ungarn, Jugoslawen, Polen und Tschechoslowaken, aber keine Deutschen. Die meisten waren Jugoslawien, wie wir später merkten, erfolgte die Einteilung nach der Staats- nicht nach der Volkszugehörigkeit. Von den so Eingeteil­ten waren viele Volksdeutsche aus Jugoslawien, das waren Do­nauschwaben, die damals ausgewandert sind. Im Lager waren wir 2 Jahre.

Herr Kmetic schaltet sich ein.

Ich muß nochmals in das Jahr 1945 zurück, damit unser Weg in Australien verständlich wird.

Ich hatte 1945 keine offizielle Entlassung aus dem Heer, als ich nach Klagenfurt kam. Deshalb haben mich die Engländer erst mal wieder aus der Wohnung geholt und in ein Gefangenenlager gesteckt, hier bei St. Veit. Mit ein bißchen List und bißchen Betrug habe ich mich dort rausgeschwindelt und hätte eine Stelle als Dolmetscher bei der Militärregierung annehmen sollen. Zu der Zeit gab es noch die Partisanen hier in Klagenfurt und als ich den Dienst antreten sollte, hat es geheißen, wir brauchen keine Dolmetscher mehr, die Partisanen sind über Nacht abgezogen. Das war zwar sehr erfreulich, aber für mich war die Anstellung dahin. Arbeit war keine zu bekommen. Man hat mir immer nur gesagt: „Sie sind kein Österreicher, sie sind ein Ausländer, wir
haben keine Arbeit für Sie“. Arbeit ohne Entlassungspapiere gab
es auch bei den Engländern nicht. So habe ich angenommen, was ich bekam und arbeitete zeitweise auf dem Bau als Hilfsarbeiter.
Oktober 1945 habe ich erfahren, daß Entlassungen ausgegeben werden. Da bin ich wieder zurück ins Lager und habe mich
zur Entlassung angemeldet. Die Entlassungspapiere habe ich ziemlich schnell bekommen mit dem Verweis, erst zum engli­schen Arbeitsamt zu gehen. Das habe ich getan und hatte irgendwie Glück. Ich hatte mich als Küchenhilfe beworben und ein eng­lischer Offizier, der zufällig dort saß, sagte: „Nein, Sie gehen nicht als Küchenhilfe, ich stelle Sie als Koch ein.“ Das war der Punkt, wo ich praktisch meinen Beruf gewechselt habe. Ich habe mir Kenntnisse angeeignet und Erfahrungen gesammelt und bin als Koch ausgewandert. Bei der Auswanderung hatten wir keinen Beruf angegeben in unseren Papieren und wir galten als Arbeiter. Der Kontrakt für Australien lautete auf 2 Jahre, d. h. für 2 Jahre mußten wir jede Arbeit annehmen, die uns angeboten wurde. Jeden Beruf, ob das bei der Eisenbahn war oder Straßenarbeiten, das war egal. Bei unserer Ankunft hatte ich aber wieder Glück und habe im Lager selbst eine Stelle als Küchenchef bekommen. Es war ein leichter Anfang für mich im Lager, weil ich hier eine Bescheinigung von der Militärbehörde vorzeigen konnte, wonach ich bereits in verschiedenen englischen Küchen und Offiziersmessen als Koch gearbeitet habe. Vorteilhaft war auch, daß wir im Lager alle beisammen blieben. Erst habe ich Arbeit bekom­men und dann hat meine Frau auch mitgearbeitet und so haben wir unseren zweijährigen Kontrakt im Lager erfüllt. Nach zwei Jahren sind wir mit etwas gespartem Geld aus dem Lager und sind nach Sidney gefahren, etwa 200 Meilen weit entfernt. Dort haben wir ein kleines Geschäft gefunden, man könnte sagen eine Konditorei mit einer winzigen Wohnung: eine Küche, mit einem großen und einem kleinen Zimmer. Fürs erste genug, daß die Familie wieder beisammen sein konnte. Dann haben wir uns schön langsam hochgearbeitet, zunächst unsere Schulden abbezahlt.

Das Fahrtgeld? (Frau Kmetic erzählt weiter)

Nein das Fahrtgeld hat die IRO bezahlt. Das war ja das Gute in Australien. Außerdem war uns Unterkunft und Arbeit garantiert. Die Unterkunft war wohl im Lager und es kam keine Familie aus dem Lager heraus, bevor der Mann nicht nachweisen konnte, daß er Arbeit und eine entsprechende Unterkunft für seine Familie hat. Arbeit hat er ja durch Vermittlung bekommen und für die Unterkunft mußte man sich kümmern. Wenn er beides hatte, konnte er automatisch aus dem Lager ausscheiden, ist aber immer noch bis zur Einbürgerung als Immigrant geführt worden. Eingebürgert wurden wir nach 5 Jahren und dann haben wir uns schön langsam durch viel Arbeit empor gerappelt. Die Kinder haben drüben katholische Schulen besucht. Man hat uns gesagt, die Schulen seien frei, aber die waren nicht frei. Wir haben Schulgeld bezahlt. Es waren Privatschulen. Jede Konfession hatte ihre eige­nen Privatschulen. Nachdem die Leute gemerkt haben, wir Katholiken sind, haben sie uns gleich gesagt, bringen Sie Ihre Kinder in die nächste katholische Schule. Das haben wir auch getan und von der Volksschule sind sie dann automatisch durch denselben Orden in die Highschool, wie sie drüben sagen, überstellt wor­den. Unsere Kinder haben dann ihre Examen gemacht und jedes hat Arbeit gefunden. Die Älteste entschied sich gleich für die Bank, die zweite hat einen Sekretariatsposten bekommen, auch eine Staatsstellung und die jüngste ist auch zur Bank gegangen. So haben wir unsere Kinder eigentlich ganz gut versorgt.

Sind die Kinder schon verheiratet?

Ja, mit Australiern. Unsere Enkelkinder sind schon groß, 17 und 18 Jahre. Wir haben 10 Enkelkinder. Unsere älteste Tochter mit Familie war vor 3 Jahren hier, als auch wir hier waren.

Was ist mit dem Geschäft geworden?

Das Geschäft haben wir 6 Jahre geführt, zunächst haben wir unsere Schulden abbezahlt, denn wir mußten ja Geld aufnehmen. Nach 6 Jahren war ich so weit, daß ich nicht mehr weiterarbei­ten konnte im Geschäft, ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Nein nicht Nervenzusammenbruch, sondern einen zeitweisen Gedächtnisschwund, 24 Stunden …

Wir haben nicht nur 8 Stunden gearbeitet, sondern 12 oder auch 16. Und das war auf die Dauer zu viel.

Was haben Sie in Ihrem Geschäft hergestellt?

Kuchen und Gebäck, europäische und auch australische Sachen, alles was gang und gebe drüben war.

Auch Apfel- und Topfenstrudel?

Ja, auch die haben wir gemacht und die Leute haben sich auch daran gewöhnt.

Hat das auch Anklang gefunden drüben? (Herr Kmetic berichtet)

Ja, das fand Anklang. Natürlich waren die Australier am Anfang etwas skeptisch. Und es hat sich bezahlt gemacht. Nach 6 Jahren waren wir soweit, daß wir unser eigenes Haus bauen konnten und dann haben wir das Geschäft gut verkauft. Ich habe unterdessen eine Stelle als Koch angenommen. Eine Zeitlang habe ich in einem Club gearbeitet, in Australien ist ja das Clubleben ganz groß. Es spielt da eine noch größere Rolle als in England. Ich habe mich mit den Jahren hochgearbeitet, und hatte zum Schluß eine führende Position in einem großen Club inne.

Und in Pension gehen konnten?

Ja, 1977 bin ich in Pension gegangen, nachdem ich schon über meine Zeit gearbeitet hatte.

Frau Kmetic erzählt weiter.

Ja, uns geht es gut. Wir sind jetzt, ich bin das fünfte Mal in Europa, 1961 war ich das erste Mal hier, da hat meine Mutter noch gelebt und da war sie 75 und da habe ich gesagt, wenn sie 80 wird, da komme ich wieder. Das habe ich getan. 1966 war ich wieder hier und 1967 ist meine Mutter mit 81 Jahren gestorben.

Ich habe nach dem Verkauf unserer Konditorei noch 10 Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet. Hatte eine sehr gute Arbeit da, war sehr zufrieden und habe ganz schön verdient.

Und beziehen Sie auch eine Rente?

Ja, wir beziehen die gleiche Rente. In Australien gibt es nicht unterschiedliche Renten. Es gibt eine staatliche Rente, eine Invaliden- oder eine Altersrente. Die bekommt jeder, unabhängig, ob er 30 Jahre oder 5 Jahre gearbeitet hat, das geht automatisch. Wenn man das Alter erreicht hat, kann man die Altersrente bean­tragen. Sie wird allerdings eingeschränkt, wenn man mehr Barvermögen hat. Man kann also nur eine gewisse Summe an Barvermögen besitzen, um die volle Rente zu bekommen. Hat man über die Norm, dann wird dementsprechend die Rente gekürzt.

Was kostet die Flugreise hin und zurück für Sie beide?

Für uns beide so ca. DM 5.000, das wären 36.000 ö. S., das ist aber schon der ermäßigte Flug. Den muß man 45 Tage im Voraus bezahlen und wenn möglich schon Monate im Voraus buchen, auch den Rückflug.

Welche Verbindung haben Sie drüben zu Österreichern, zu Deutschen oder zu Jugoslawen?

Zu Jugoslawen haben wir praktisch keine Verbindung, obwohl es welche da gibt, die gleichzeitig mit uns eingewandert sind. Wir treffen uns mit unseren Leuten mit Gottscheern und Donauschwaben. In Sydney selbst besteht ein deutscher Club, wo man ab und zu mal hingeht, aber eine nähere Verbindung haben wir dorthin nicht; auch einen deutsch-österreichischen Club gibt es, da sind wir oft und außerdem haben wir in Sydney zwei deutsch-katholische Kirchengemeinden. Die eine ist in Blacktown, dort sitzen praktisch nur Donauschwaben, selbst der Pfarrer ist ein Immigrant und der bleibt da.

Wir kennen jetzt fast alle Gottscheer, die um Sydney herum wohnen. Durch Anni Filipich, eine geb. Jonke aus Gottschee, haben wir Fühlung mit den Gottscheern bekommen. Das erste Treffen haben wir 1976 im deutsch-österreichischen Club veranstaltet, wo Herr Filipich Präsident war. Das war für uns günstig, weil wir keine Saalmiete bezahlen mußten. Wir haben die Landsleute telefonisch und brieflich eingeladen und beim ersten Treffen 1976 waren wir schon 30 Personen. Kinder kamen noch hinzu, aber diese wissen meistens nicht mehr viel von den Gottscheern. Gleich das erste Treffen hat bei allen großen Anklang gefunden. Wir haben uns sehr gut unterhalten. Wir haben uns bekannt gemacht, haben erzählt, von wo wir herstammen, haben auch gottscheerisch gesprochen, aber alle können es nicht mehr. No, da haben wir auch dann ausgemacht, daß wir uns jedes Jahr tref­fen wollen. 1977 war es wieder im Mai, gleich am ersten Sonntag nach Muttertag. 1978 haben wir neue Gottscheer dazubekommen. Viermal haben wir es im deutsch-österreichischen Club gemacht. Heuer, weil wir vorhatten, hier in Europa bei der 650-Jahrfeier zu sein, haben wir unser Treffen auf März vorverlegt.

Wir treffen uns schon am Vormittag, essen gemeinsam und unterhalten uns nachher weiter. Unser letztes Treffen in diesem Jahr war ein Ausflug etwa 80 km südlich von Sydney, wo viele Europäer leben. Eine Gottscheer Familie ist darunter, die Familie Lauritsch aus Suchen. In einem Restaurant eines Linzers haben wir einen sehr schönen gemeinsamen Sonntag verlebt. Wir haben schon ausgemacht, für nächstes Jahr uns wieder im März zu treffen und da wollen wir aber nach dem Norden fahren, wo zwei Gottscheer Familien wohnen und dort ist auch ein deutscher Club. Das ist in New Castle, etwa 120 Meilen entfernt. So müs­sen diese Leute auch nicht immer zu uns fahren. Aber ich muß schon sagen, es sind alle sehr, sehr begeistert. Schön, sehr schön.

Ich sehe, daß Sie ein Album mit einem Gottscheer Wappen hier haben?

Ja, darin habe ich meine Geschäftssachen, Einladungen, (sie kramst darin) Fotos als Erinnerung, Zeitungsausschnitte, Unter­schriften von allen Anwesenden und Ausschnitte aus der Gottscheer Zeitung. Ich habe noch nicht die Zeit gefunden, alles ordentlich einzukleben.

Vor 3 Jahren habe ich mir eine Gottscheer Tracht mitgebracht und habe sie bei diesem Treffen zum ersten Mal getragen. Die Leute waren begeistert, daß ich es gemacht habe, es war auch richtig nett.

Das ist wirklich sehr reizvoll, eine Gottscheer Tracht mitten in Australien unter den vielen Kameraden, zum Teil sicherlich Gottscheer oder nicht?

Ja, alles Gottscheer oder angeheiratete Gottscheer. Das ist alles vom Gottscheertreffen. Ich nehme aber auch jedes Jahr an einem Donauschwabentreffen teil und auch da bin ich immer eingela­den, in der Tracht zu kommen. Darüber berichtet dann auch die deutsche Zeitung, „Die Woche in Australien“, so heißt sie und da wollen auch alle die Gottscheer Tracht fotografieren.

Ich bin schon wieder eingeladen zu dem nächsten Donauschwabentreffen und das wird eine Woche nach unserer Rückkehr im Oktober sein. Das war die letzte Einladung, die ich verschickt habe. Ich habe noch so verschiedene alte Karten, Ansichten von Gottschee und diese verwende ich bei den Einladungen, damit sich die Leute auch daran etwas freuen. Etwas von Gottschee.

Haben Sie die Reproduktionen von einem alten Stich?

Ich habe so verschiedene Karten, eine war vom Maler Ruppe, einem Gottscheer. Davon habe ich sie machen lassen. Da habe noch welche aus Amerika, vom Gottscheer Brunnen in Aichelberg, seine Einweihung vor drei Jahren, Bilder aus Krastowitz, von der Steubenparade in New York mit den Gottscheern in Tracht. Die hat zufällig unsere Tochter aufgenommen, sie war gerade in New York.

Was habe ich da noch?

Ja das war Krastowitz vor drei Jahren. Das ist von New York 1973 und das war Krastowitz 1973, das hat mir Frau Hriber, die schon verstorben ist, zukommen lassen, weil ich darauf bin. Das war bei unserer Kirche, das ist auch ein Gottscheer mit seiner Frau und das ist der Michitsch und wir. Diesen Artikel habe ich eingeklebt, weil mich da einer interviewt hat und dieses Ding da geschrieben hat. Das habe ich deshalb ausgeschnitten.

Ja wie groß das Zusammengehörigkeitsgefühl bei den Gottscheern ist, stellt diese Gedenkfeier wieder unter Beweis. Sie führt die Gottscheer aus allen Teilen der Erde zusammen.

Eine Frage habe ich vergessen, an Sie zu richten: wie ging es mit der Sprache?

Ja der Anfang war schwer. Wir haben im Lager selbst Abendkurse gehabt, praktisch jeden Abend. Etwas von der Umgangssprache bekamen wir schon bei der Arbeit und im Umgang mit Engländern mit, aber nichts von den grammatischen Unterlagen, nur was man so im allgemeinen spricht. Nach zwei Jahren, als wir aus dem Lager gingen, da haben wir ziemlich perfekt gesprochen, Es ist wirklich das Wichtigste, wenn man ins Ausland geht, sei es Australien, Amerika oder sonst wo, daß man die Landessprache erlernt. Ohne das ist man verloren, gibt es kein Weiterkommen.

Wenn man es so richtig bedenkt, deutschsprechende Leute lernen schnell englisch, weil unsere Sprachen doch irgendwie verwandt sind. Viele deutsche Ausdrücke sind wie im Englischen und wenn man ein bißchen Phantasie hat, kann man sich schon
vieles zusammenreimen. Aber die Hauptsache für uns war, daß wir auch schreiben und lesen lernten. Wir haben uns bemüht, englische Zeitungen zu lesen, das dicke Lexikon daneben. Anfangs mußten wir uns mit manchen Worten den Satz zusam­men kombinieren. Man muß aber wirklich sagen, die Australier sind sehr freundlich, wenn sie sehen, daß man bemüht ist, ihre Sprache zu sprechen. Heute kann uns niemand sagen, sie kön­nen nicht englisch, nein, wir können uns verteidigen in allem, niemand kann uns verkaufen. Einen gewissen Akzent haben wir immer noch und der bleibt. Zu Hause sprechen wir nur deutsch, mit den Enkelkindern und den Schwiegersöhnen müssen wir englisch sprechen, weil die das Deutsch nicht verstehen. Unsere eigenen Kinder aber verstehen alle deutsch, da brauchen wir keine Rücksicht zu nehmen. Nur es ist halt so wie überall, wir haben das ja auch in Amerika gesehen, die Kinder verstehen alle deutsch, aber sie antworten englisch. Es ist nicht so, daß sie nicht wollen, das Englisch fällt ihnen halt leichter, wenn sie die Schulen drüben gemacht haben. Als wir noch im Lager waren, gab es da so viele verschiedene Kinder mit verschiedenen Sprachen, aber deutsch war die Lagersprache. Die Kinder haben sich deutsch verständigt, aber als wir nicht mehr im Lager waren, hatten sie nur noch englisch sprechende Mitschülerinnen. Aber wir haben oft Bekannte bei uns, welche alle deutsch sprechen; Wiener sind da, mit denen wir ganz gut sind und die Gottscheer natürlich. Wir haben auch Ungarndeutsche nicht sehr weit von uns, mit denen sind wir immer in Kontakt. Wir brauchen kein Heimweh nach der deutschen Sprache zu haben, die Sprache geht auch in Australien nicht unter. Oh, wir treffen uns überall, am Sonntag bei der Messe, da kommen Gottscheer und andere Deutsche. Nur ist es dann auch manchmal so, daß ein Gottscheer eine Australierin geheiratet hat, dann ist man gezwungen, englisch zu sprechen. Ich meine das verlangt schon die Höflichkeit. Aber sonst zu Hause sprechen wir nur deutsch. Ich habe ja immer gesagt, wenn ich meine Enkelkinder ganz in der Nähe hätte, die würden bestimmt deutsch sprechen, aber wir sind alle auseinander, wir kommen nicht einmal jede Woche zusammen. Die Leute wundern sich oft, daß wir noch immer so gut deutsch sprechen nach 31 Jahren in Australien, Ja, weil wir unter uns nur deutsch sprechen.

Ich hoffe, daß Sie wieder nach Krastowitz kommen werden, die Geselligkeit mit den Gottscheern zu erleben?

Das ist nicht so sicher. Wir möchten schon, aber wir sind jetzt schon ziemlich alt und wer weiß, was kommt. Die Reise ist sehr anstrengend, lebten wir in Amerika, dann käme ich wahrscheinlich jedes Jahr. Aber von Australien: 27 Stunden im Flugzeug sit­zen. Ja, zu weit, aber für uns gab es damals keine andere Mög­lichkeit.

Quellenangaben:

1330 – 1941  Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel
Heft 4 und 5

Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland

Weilheim 1994